3. Dezember 2001
BRINGS
Weihnachtskonzert
janz höösch - usjestöpselt - unplugged

Das war mal wieder eine dieser Spontanentscheidungen, die mir ständig meine Planungen durcheinander wirbeln. Sehr konsequent hatte ich durchgezogen, dass im Dezember nur die Veranstaltungen besucht wurden, für die wir schon Karten hatten. Alle weiteren Sachen, so schön sie auch sein mochten, mußten sofort und ohne Ausnahme abgeschmettert werden, denn wir hatten schon mehr als genug zu tun. Und dann sagte Rüdiger am Freitag: “Hey, Brings kommt am Montag nach Weilerswist”, und ich kaufte sofort Eintrittskarten.

Naja, Brings war natürlich was anderes, denn seit dem Sommer stand fest, dass ich bei nächster Gelegenheit mal ein Konzert von ihnen besuchen würde, und das war ja nun wirklich eine allernächste Gelegenheit. Außerdem finde ich sowieso, dass Flexibilität eine sehr schöne Eigenschaft ist, die einen ganz spontan viele nette Sachen erleben läßt. Beim Blick auf die Eintrittskarten stellte ich allerdings fest, dass ich wohl kein ‘normales’ Brings-Konzert erleben würde, sondern ein eher ruhigeres und leiseres, da sie unplugged spielen wollten. Auch der Untertitel “janz höösch” bedeutet “ganz leise, vorsichtig” und ich war sehr gespannt.

Auf der Bühne der Weilerswister Gesamtschule sah es ziemlich weihnachtlich aus. Zwei große, kegelförmige, supercoole Weihnachtsbäume aus silbernen Girlanden, geschmückt mit lilafarbigen Kugeln, standen links und rechts, über Keyboard und Schlagzeug hingen leuchtende Lichternetze und im Hintergrund grinste ein Nikolaus von einem Plakat. Bei genauerem Hinsehen sah der Nikolaus aber gar nicht so nett aus und rauchte eine fette Grastüte. *grins* Für ein Unplugged-Konzert gab es allerdings viele Kabel. Übrigens ist Rolly Brings, der Vater von Stephan und Peter Brings, Lehrer an der Schule in Weilerswist und ich fand es nett, seinen Namen so normal auf dem Plan der Elternsprechstunden zu sehen.

Das Licht ging aus und Brings kamen von hinten durch den Saal zur Bühne. Sie schüttelten Hände, grinsten und hatten sichtlich viel Spaß an der Überraschung. Und wie sie aussahen! Alle hatten schwarze Anzüge(!) und weiße Hemden an, Christian Blüm sogar eine schwarze Melone auf dem Kopf, und der erste Satz, den Peter Brings ins Mikro feixte, war: “Wa, da guckt ihr!”

Sie setzten sich hin, griffen zu ihren Instrumenten und legten los. Es rockte gleich richtig ab und war eigentlich überhaupt nicht unplugged, aber trotzdem richtig klasse und einfach gute Musik. Allerdings zog Peter Brings schon während des ersten Liedes das Hemd aus der Hose, und sah gleich viel lässiger aus.

Da es mein erstes Brings-Konzert war, kannte ich die meisten Lieder noch nicht, obwohl ich das ein oder andere schon in privaten Kreisen mit Gitarre oder Klavier begleitet gehört hatte. Bis zum Sommer hatte ich beim Namen ‘Brings’ immer gleich abgewunken, weil ich früher mal irgendwann Musik von ihnen gehört hatte, die mir überhaupt nicht gefallen hatte. Dieses Urteil war lange bei mir hängen geblieben, aber inzwischen waren mir so viele ruhige, sensible Stücke von ihnen vorgespielt worden, dass sich mein Bild komplett gewandelt hatte. Das Konzert bestätigte meinen neuen Eindruck. Auf der Bühne saßen fünf total nette, gutgelaunte Musiker, die mit voller Energie sehr gute Musik machten, viel Spaß dabei hatten und auch immer wieder sehr leise, anrührende Stücke spielten. Vor allem viele Texte fand ich bemerkenswert gut. Die schnelleren Sache zogen total mit und ich wippte auf meinem Stuhl hin und her und grinste über die Musiker, die auf ihren Sitzen genauso zappelig und sehr temperamentvoll hin- und herwackelten.

Die Musik war sehr vom Gitarrensound und natürlich total von der rauhen, leicht heiseren Stimme von Peter Brings geprägt. Ich liebe diese Stimme! Sie alleine ist komplette Musik, einfach Wahnsinn! Dazu supergut am Keyboard Kai Engel (von dem kann ich auch nur schwärmen. Sehr, sehr nett und bis oben voll Musik!), und einfach perfekt am Schlagzeug Christian Blüm. Knallende Beats, keine albernen Spielereien und auf den Punkt genau mit unglaublicher Power. Wow!! Supergute Musik, die wirklich Spaß machte und nichts mit der zu tun haben konnte, die ich früher mal gehört hatte. Wahrscheinlich hatte ich einfach nur ein falsches Lied zur falschen Zeit erlebt, oder waren sie früher anders?

Sehr witzig fand ich die gesundheitsbewußte Art des Rauchens. Oft zündeten sich die Gitarrenspieler unter ihnen vor dem Lied eine Zigarette an und steckten sie dann am Gitarrenkopf unter die Saiten, um die Hände frei zu haben. Während des Liedes verbrannte die Zigarette qualmend, ließ bei heftigen Bewegungen die Asche abfallen und beim Endakkord war sie fertig zum Ausdrücken. Ich beobachtete das fasziniert und überlegte, was das für Gründe haben könnte. Waren die Lieder immer so lange wie die Zigarette brannte? Oder sparten Brings mit dieser Art die teure Nebelmaschine ein? Immerhin rauchten auch viele der Zuhörer und nebelten den Saal wunderbar ein.

Als eigentlich Pause sein sollte, blieb Kai alleine auf der Bühne zurück und spielte ein wunderschönes Lied solo. Er ging ab und Peter Brings kam und kündigte Gäste an: Benjamin und Rolly Brings, seinen Bruder und seinen Vater. Das war natürlich ein ganz seltenes Zusammentreffen auf der Bühne, und während Rolly Brings eines seiner Lieder sang, wurde er von seinen drei Söhnen mit Gitarren begleitet. Er fühlte sich sichtlich wohl und ich konnte sehr gut nachvollziehen, wie schön das für ihn war, in der Aula ‘seiner’ Schule bei einem Konzert zwischen seinen Jungs zu sitzen. Die Musik war natürlich anders als Brings-Musik, denn Rolly Brings hatte eher den 68er Protestsong-Sound drauf, aber seine Söhne ließen ihn im Mittelpunkt stehen und begleiteten ihn sehr sorgfältig und fast liebevoll.

Zur Freude des Publikums gab es danach eine Sondervorstellung eines früheren Puppenspieles aus dem Hause Brings. Stephan und Benjamin spielten die Puppen, während Rolly Brings singend die Geschichte erzählte. Ab und zu konnte ich hinter dem Vorhang Peter Brings sehen, der sich köstlich amüsierte und vor Lachen manchmal fast zusammenbrach. Wunderschön war wie ernsthaft Stephan Brings, ganz in die Geschichte versunken, mit den Handpuppen umging.


Danach ging es zwar mit Musik und Brings weiter, aber sie spielten ein Lied von Stephan Hiss. Der sollte an den beiden nächsten Terminen als Gast dabeisein, hatte es aber noch nicht zum heutigen Konzert geschafft. Zum Glück, fand ich, denn ich hatte Hiss im Sommer gehört und fand Stephan Hiss auf der Bühne ziemlich penetrant. Er hatte mir zu viel Show gemacht und ich war nach wenigen Liedern schon sehr genervt. Den hätte ich also gar nicht gerne sehen wollen. Brings spielten die ‘Friedhofspolka’ von ihm und da Kai am Keyboard souverän den Akkordeonpart übernahm und Peter den Text mit seiner unnachahmlichen Stimme sang, wurde Stephan Hiss überhaupt nicht vermisst. Wenigstens nicht von mir. Ich fand die Brings-Version viel besser und fände Stephan Hiss-Lieder von Brings und ohne Stephan Hiss richtig klasse. Ist aber eine rein persönliche Einstellung, die Hiss-Fans wahrscheinlich nicht so sehen.

Um noch mehr Abwechslung ins Programm zu bringen, sang danach Stephan Brings die verkölschte Fassung von “Hotel California”, begleitet von der Band, und das war wirklich sehr beeindruckend klasse. Der Gitarrist Harry Alfter folgte mit einem sehr schönen Solostück für Gitarre und Gesang, und als Peter Brings auf die Bühne zurück kam, seufzte er grinsend: “Tja, wenn dat hier su wiggerjeht, hann ich bald keine Job mie!” Es gab wieder Schönes von Brings, danach kam erneut Rolly Brings auf die Bühne, kündigte lang und breit sein Gratulationslied zum 10jährigen Brings-Jubiläum an und wartete dabei auf Benjamin, der mitspielen sollte. Typisch wie ein genervter Vater, der am Mittagstisch sitzt, fragte er: “Wo is dä Benjamin?” und rief dann laut: “Benjamin, mir waade!” Der Gesuchte blieb verschwunden und die Band musste ohne ihn spielen. Am Ende rief Peter brüderlich: “Benjamin, wenn isch disch krieje, bring isch disch öm!”

Die Stimmung auf der Bühne und beim Publikum war wirklich supergut, sehr familiär und ich fand das Konzert von vorne bis hinten nur klasse. Zum Abschluß gab es natürlich noch die “Superjeile Zick”. Ich gehöre ja zu den wenigen Leuten, die das Lied nicht toll finden. Mir gefällt es textlich und musikalisch nicht besonders gut, reißt mich aber trotzdem jedesmal sofort vom Stuhl. Bei Feten singe ich lauthals mit, hüpfe wild herum und betone dabei immer, dass es mir eigentlich gar nicht gefällt. Es hat eben einfach etwas total Mitreißendes. Als das Lied jetzt auch noch live von Brings gespielt wurde, war bei mir keinerlei Widerstand mehr zu finden. Das Konzert war supergut, ich hatte tolle Laune, dachte, dass ich gerade eine echt superjeile Zick hatte, sang laut mit und klatschte wild. Mehr muß ich zu diesem Thema wohl nicht erklären, das glaubt mir jetzt doch keiner mehr.

Es gab noch drei Zugaben, Benjamin fand sich hinter der Bühne wieder ein, wurde von Peter doch nicht umgebracht und ich fuhr nach einem tollen Konzert sehr gut gelaunt nach Hause. ‘Janz höösch’ und ‘unplugged’ war es nicht und ich bin jetzt gespannt, wie ein ‘normales’ Brings-Konzert sein wird, auf das ich sicher bei nächster Gelegenheit mal gehe.

Übrigens hat danach die ganze Nacht Peter Brings neben meinem Bett gestanden und mit brüchiger, heiserer Stimme gesungen: “Maach noch ens die Tüüt aan......” Als ich morgens aufstand, war er verschwunden, aber das Lied hatte ich immer noch im Ohr.

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