4.8.2001, Köln, Müngersdorfer Stadion
1.FC Köln - 1860 München
Impressionen

Seit mehr als 15 Jahren wollte ich mal zu einem Fußballspiel des 1.FC Köln in das Müngersdorfer Stadion. Ich habe von Fußballvereinen sehr wenig Ahnung, kenne aber immerhin die Abseitsregel. Glaube ich wenigstens. FC-Fans kannte ich aus jahrelanger Erfahrung, da ich früher täglich am Stadion vorbeikam. Sie hatten rot-weiße Schals um, trotteten in kleinen Gruppen und schwenkten dabei Fahnen, tröteten in kleine Tuten oder grölten einfach laut. Unsere Freunde, mit denen wir zusammen zum Spiel gingen, entsprachen diesem Bild allerdings in keiner Weise, obwohl sie als FC-Fans kompetente Ansprechpartner waren, die uns bei allen Fragen hilfreich zur Seite stehen würden. Die ganze Idee fand ich also ziemlich spannend und freute mich schon sehr darauf.

Unsere Begleiter hatten alles wunderbar organisiert. Das Wetter war schön, unsere Sitzplätze lagen so, dass wir alles sehr gut sehen konnten, und dass der FC an diesem Tag gewinnen würde, hatten sie auch klargemacht, da war ich mir sicher. Schließlich sollte es ein rundum schönes Erlebnis für uns werden. Im Pulk von vielen Fans gingen wir zum Stadion. Als Luftbild hätte es bestimmt toll ausgesehen, wie kleine, meist rot-weiße Punkte aus allen Himmelsrichtungen auf das große Stadion zukamen und sich dort drinnen am Rand verteilten. Ich fand es schon klasse, einer der Punkte zu sein, denn es war total interessant die vielen verschiedenen Leute und ihre Kleidung anzusehen. Die Fans gab es in allen Altersstufen und hinter der schmalen Oma, mit FC-Schal um den Hals und rot-weißer Kappe auf den weißen Haaren, kam ein enorm dicker Mann, mit rot-weißem T-Shirt und vielen verschiedenen FC-Schals, die wie ein Baströckchen rundherum im Gürtel festgesteckt waren. Dahinter dann der junge Vater, dessem Sohn das FC-Shirt bis zu den Knien hing. Egal was man anhatte, wenn es rot-weiß war, gehörte man dazu. Außerdem gab es unüberblickbar viele verschiedene FC-T-Shirts. Nur weiß mit Aufdruck, rot-weiß mit Streifen, weiß mit rot, rot mit orangen Punkten am Ärmel, blau (blau??). Mir persönlich gefiel das neue, dunkelrote am besten, aber ich kam auch mit meinem Privat-T-Shirt ohne Probleme rein. Auch die blaugekleideten München-Fans hatten keine Schwierigkeiten, huschten aber doch ohne viel nach rechts und links zu sehen, zügig zu ihrem Block.

Was mich überraschte, war die sehr gute Stimmung, die ringsherum herrschte. Sehr positiv, gespannt auf das Spiel, aber durchweg gut gelaunt und fröhlich. Wie bei einem großen Volksfest. Es gab Döner- und Getränkebuden und während im Innenraum des Stadions schon die harten Fans in der Südkurve ihre ersten Anfeuerungsgesänge begannen, saßen wir noch draußen, aßen unser Fladenbrot und guckten den vorbeiströmenden Leuten zu. Eine tolle Atmosphäre, die mir sehr gefiel. Aus dem Innenraum plötzlich lauter Jubel und unser Freund erklärte, dass die Spieler auf das Spielfeld gekommen wären. Ich wunderte mich etwas, dass das Spiel schon anfing, während wir noch Döner aßen (hätte nicht in die gute Organisation gepaßt), aber sie waren erstmal nur zum Aufwärmen da.

Trotzdem gingen wir zu unseren Plätzen, die wirklich wunderbar in der Mitte lagen und guckten zu. War wie beim Schulsportfest. Im Gänsemarsch rennen, kleine Schritte, große Schritte, Seitwärtsgang, Dehnübungen. Der Unterschied bei den Mannschaften fiel sofort auf. Während die Kölner in ziemlich gleichmäßigen Formationen viel Bewegung zeigten, so richtig was für’s Auge, dehnten sich die Münchner mehr. Sah sehr bequem aus, aber was das für Auswirkungen auf das Spiel haben würde, wußte ich natürlich nicht. Klar war nur, dass mir die dunkelblaue Kleidung der Münchner optisch besser gefiel, aber unser fußballerfahrener Freund machte mich darauf aufmerksam, dass das nur das Aufwärmtrikot wäre. Außerdem war ich natürlich prinzipiell FC-Fan!

Die Cheerleader waren rot-silbern glitzernd eingetroffen und tanzten etwas vor der Südkurve, obwohl die Stimmung da gar nicht mehr angeheizt werden musste. Die harten Fans saßen dort dichtgedrängt und außer den verschiedenen Haarfarben gab es nur Rot und Weiß zu sehen. Eine kompakte Masse, die gleichzeitig winkte, gleichzeitig aufsprang, unglaublich laut brüllen konnte und ab und zu rot-weiße Fahnen schwenkte. Und dann kam er: Ewald Lienen. Im dunklen Anzug ging er auf den Rasen zu, die komplette Südkurve begann mit einem grummelnden Ton “Uuuuuuu......”, er setzte mit Schwung über die Spielbegrenzung und genau beim Sprung wurde der Ton wurde zum lauten “...uuaaaaAAAA!” Total klasse! Es wurde noch ein bißchen aufgewärmt, die Lautsprecher spielten ab und zu FC-Lieder ein, die laut mitgegrölt wurden und die Stimmung wurde mit Tröten und Pauken weiter angeheizt. Ich fand es supertoll das alles zu erleben und fühlte mich richtig gut.

Inzwischen waren die Spieler verschwunden (ich hatte wohl zu lange in die Südkurve gestarrt), der Rasen war leer und das Hauptprogramm begann. Ein Ansager verlas die Spielerliste. Zuerst die Münchner Spieler. Er sagte schnell und emotionslos Nummern und Namen herunter und die Kölner Fans begleiteten alles mit freundlichem “Buuuuuuh!”. Dann die Spieler des 1.FC Köln. Anfeuernd und laut gab er die Spieler-Nummer an, rief den Vornamen und alle Fans streckten den Arm nach vorne und brüllten den Nachnamen. War für mich völlig überraschend und ich grinste über’s ganze Gesicht, weil ich es total klasse fand. Wirklich beeindruckend und witzig. (Ganz ehrlich: Von den Spielern kannte ich keinen einzigen und mir fiel zum FC nur Overath ein, wobei mir aber vorher schon klar war, dass der nicht mitspielen würde.)  Aber irgendwie hatte sich der Besuch im Stadion schon gelohnt, bevor das Spiel anfing.

Die Spieler der beiden Mannschaften kamen auf den Rasen, wurden mit lautem Gegröle, Getröte, Applaus und Fahnenschwenken begrüßt und mir wurde noch schnell zugeflüstert:  “Die Roten sind die Guten und die Blauen sind die Bösen!” *grins*. Da die Münchner inzwischen unschöne türkisblaue T-Shirts trugen, hatte ich auch überhaupt keine Probleme damit. Bevor ich überhaupt einen Pfiff gehört hatte, war das Spiel plötzlich dran. Es war das erste Heimspiel der Kölner in der frisch angelaufenen Bundesligasaison und sie galten als die etwas bessere Mannschaft. Die Sonne war rausgekommen und ich fand den Blick auf den Rasen toll. Saftiggrünes Gras und ganz kontrastreich abgehoben die rot- weißen und die blauen Spieler, die einen weißen Ball hin und her schoßen. Viel eindrucksvoller und schöner als im Fernsehen und auch viel besser zu sehen, als ich mir das immer vorgestellt hatte. Dazu die ständigen Gesänge und Anfeuerungsrufe aus der Fankurve und vor allem das spannungsgeladene, immer lauter werdende Brüllen, wenn es auf das gegnerische Tor zuging. Die Kölner Spieler hätten eigentlich blind und nur nach Gehör spielen können, denn je näher sie mit dem Ball ans München-Tor kamen, umso lauter wurde es. Wie beim Heiß-Kalt-Spiel. Dann ein Schuß auf’s Tor, das Geschrei nahm unglaubliche Dimensionen an und ein sofortiges Absacken, wenn der Ball weit dahinter landete.

Auf der gegenüberliegenden Seite stand Ewald Lienen am Spielfeldrand. “...im blauen Hemd und mit ganz vielen kleinen Zetteln...” summte mir beim Blick auf ihn ständig die Textzeile aus dem Wise Guys Lied durch den Kopf. Er stand wirklich genauso da, wie ihn Dän auf der Bühne beim Zettelbeschreiben immer zeigt. Total klasse und ich mußte jedesmal gerührt grinsen. Jetzt konnte ich es zum erstenmal live sehen, genauso übrigens wie die  ‘Mauern’, bei denen eng nebeneinander stehende Männer ängstlich ihre Hände vor empfindliche Regionen halten und auf den Knall warten. Sieht ja im Fernsehen schon witzig aus, in echt aber noch mehr. *grins*

Das Spiel war zunächst eigentlich nicht besonders spannend, für mich als Neuling aber trotzdem. Besonders die vielen ‘Schwalben’ fand ich unmöglich. Kaum waren zwei Spieler am Ball, rollte einer schon schmerzerfüllt über den Boden. Der Schiedrichter pfiff meistens ab und um mich herum kamen die Kommentare der Fans. “Was pfeift die Niete denn da?” “Der soll bei den Amateuren arbeiten, aber nicht in der Bundesliga!!” “Ey, du Arschloch!!!” Überhaupt waren die Sätze, die ich ringsherum aufschnappte, sozusagen das Salz in der Suppe.  “(anfeuernd:) Lauf doch!!! Los, renn!! (wütend:) Rechts ist doch alles frei, du Blödmann! Abgeben!! (verzweifelt:) Was macht der denn??”  oder auch: “Du Sau! Spiel!!” Eine emotionsgeladene Atmosphäre mit viel Spannung, die ansteckend war.

Allerdings überzeugten mich die Kölner in der ersten Halbzeit nicht. Wenn der Ball irgendwo runterkam, stand da fast immer ein blauer Spieler und die rot-weißen verloren den Ball sogar beim Dribbeln oder spätestens beim Zuspielen. Ab und zu gab es mal eine Torchance, aber es war selten richtig gefährlich. Das änderte sich dann aber in der zweiten Halbzeit. Ich vermute, dass Ewald den Spielern mal seine Zettel vorgelesen hatte und sie darum motivierter auf den Rasen zurückkamen. Schon gleich in der 47. Minute, also in der zweiten Minute der zweiten Halbzeit, schoß Kurth, die Nummer 18 ein Tor. Für mich völlig überraschend, denn der Ball war aus dem dichten Spielergetümmel vor dem Tor schon wieder nach hinten rausgegangen und als ich gerade wegblicken wollte, gab es ein Riesengebrüll, alles sprang von den Plätzen auf und jubelte laut. Das erste Tor für die Kölner, und auch noch geschoßen vom Lieblingsspieler unserer Freunde. Das war eine Organisation! Und alles extra für uns, ich war wirklich begeistert!

Die Stimmung schoß natürlich hoch und da auch das weitere Spiel viel energiegeladener und von den Kölnern angriffsstärker war, fieberte ich voller Spannung mit. Das war echt aufregend. Einen Vorschlag hätte ich allerdings. Könnte man nicht eine Vorrichtung an den Toren anbringen, die mit blinkenden Lampen, lautem Klingeln und Feuerwerksfontänen loslegt, sobald ein Ball im Tor ist? Es gab manche Schrecksekunde, in der ich den Ball im Kölner Tor sah, er aber knapp daran vorbei flog. Das war aber nicht sofort zu erkennen und ließ mein Herz kurz aussetzen. Umgekehrt war ich kurz vorm Hochspringen, wenn ich den Ball im gegnerischen Tor sah, was er dann aber auch nicht war.

Als Neuerung, auch für erfahrene Fans, gab es einen lauten chinesischen Gong, der eine Auswechslung ankündigte. Beim ersten Hören gab es erstauntes Aufblicken und dann dickes Gegrinse bei den Zuschauern und ein Fan in der Reihe vor uns fragte überrascht: “Was is das denn für’n schwuler Gong??” In der 88. Minute donnerte dann Kurth den zweiten Ball ins gegnerische Tor und damit war das Spiel entschieden. Großer Jubel und Riesenlärm auf den Rängen und ich war von der Organisation unserer Freunde wirklich beeindruckt. Besser hätte man das nicht machen können!

Auch den Schlußpfiff hörte ich nicht (Hab ich was auf den Ohren? Als Spieler hätte ich  peinlicherweise weitergespielt), aber ich sah und hörte an den Reaktionen des Publikums, dass das Spiel aus war und sprang wie meine Nachbarn vom Sitz hoch und jubelte mit. Die Spieler wurden beklatscht, machten vor der Südkurve gemeinsam mit den Fans ein paar beeindruckend synchrone Wellen und trabten über den Rasen weg. Und dann ging Ewald Lienen ganz alleine zur Südkurve. Das war wieder einer der sehr schönen Eindrücke. Er stand vor der jubelnden Menge und es war bis zu meinem Platz zu spüren, dass er für die Fans ein Idol war. Anerkannt und verehrt. Er verbeugte sich mehrmals schnell, synchron begleitet vom kompletten Fanblock und ging dann, in seinem dunklen Anzug sehr seriös und in dieser Umgebung leicht fremdartig wirkend, zum Ausgang.

Auch wir machten uns auf den Weg. Seltsamerweise fühlte ich mich müde und leicht erschöpft. Dabei war ich doch keinen Meter mitgerannt! Aber es war ein Nachmittag voller neuer Eindrücke, der mir sehr gefallen hat, und es war bestimmt nicht mein letzter Besuch im Stadion! Vielen Dank den Organisatoren!! Außerdem war es teilweise noch spannender als in Badezimmer-Kacheln Löcher zu bohren, und das will was heißen. Dieser letzte Satz ist aber mehr was für Insider. *grins*

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Kurzer Nachtrag: Nachdem mich FraHa (Danke!) durch einen Gästebucheintrag darauf aufmerksam gemacht hat, dass im Fußball ‘Bayern’ auf keinen Fall gleichzusetzen ist mit ‘München’, habe ich den Bericht an den entsprechenden Stellen geändert. Es ist hier also nur noch von der blauen Mannschaft ‘München 1860’ die Rede. Da merkte man mir eben den Laien in Fußballsachen an *grins*