Seit 15 Jahren bot das Pantheon-Theater Gelegenheit ‘große’ und ‘kleine’ Kunst zu erleben und in den letzten vier Jahren
hatte ich reichlich Gebrauch davon gemacht. Noch nie war ich von dort mit dem Gedanken “das war aber nichts” nach Hause gegangen, sondern immer sehr gut gelaunt und voller neuer Eindrücke. Dazu trug neben dem sorgfältig
ausgewählten Programm auch immer die sehr nette und gemütliche Atmosphäre bei. Kurz: Das Pantheon hatte sich zu meinem Lieblingstheater entwickelt und in meiner Eintrittskarten-Ecke hingen eigentlich immer die kleinen
schwarz-roten Karten für eine der nächsten Vorstellungen. 15 Jahre Satire, Kabarett und Sprungbrett für angehende Künstler mussten gefeiert werden, und da das Pantheon dafür eindeutig zu klein war, zog es für zwei
Tage in die Bonner Beethovenhalle um. Die Liste der auftretenden Künstler war fast unglaublich und sah aus wie das komplette Jahresprogramm eines großen Theaters. Das alles sollte an einem Abend in die Gala passen?
Wahnsinn! Ich war gespannt und erlebte den zweiten Abend der Veranstaltung mit. Schon die Bühnendekoration war klasse. Der Pantheon-Schriftzug war in metergroßen,
weißen Buchstaben als Hintergrund angebracht, hatte Lampen an den Konturen und sah aus wie in Hollywood. Yeah, ich liebe sowas. Der untere Teil des H’s war ein Tor, durch das
die Bühne betreten werden konnte und sogar eine kleine, rote Showtreppe war vorhanden. Nur drei Stufen, aber immerhin.Der Abend begann mit einer Begrüßung durch Rita Baus,
die kurz über das Theater erzählte und ganz besonders Matthias Beltz erwähnte, der schon bei der Eröffnung des Theaters dabei war und eigentlich auch an diesem Abend
auftreten sollte. Leider war er vor ein paar Monaten ganz plötzlich gestorben und der Schock darüber saß allen noch tief in der Seele. Sehr schön, dass er in den Gedanken der Anwesenden doch an der Pantheonfeier teilnahm und an diesem Abend dazugehörte. Die erste Nummer wurde von
einem Gesangtrio gebracht, das aus alten Männern bestand. Na, ganz so alt waren sie in Wirklichkeit nicht, aber sie sahen so aus. Rainer Pause, Norbert Alich und Jean Faure
(ich vermute er war es, aber ich kenne ihn eigentlich nicht) sangen im Frack und schön altmodisch ein dreistimmiges und dreisprachiges Barbershop-Lied, passend zur Hollywood-Kulisse.
Danach eine kurze Zwischenansage von Rainer Pause, der eigentlich den ganzen Abend als Fritz Litzmann
unterwegs war und diese Rolle gewohnt perfekt spielte. Immer überzeugend, witzig und bei aller Engstirnigkeit absolut sympathisch. Er war übrigens nie der moderierende Lückenfüller zwischen den Programmpunkten, sondern
eine wiederkehrende Figur, auf die ich mich jedesmal freute. Es kam Matthias Deutschmann
mit einem Beitrag über Einsatztruppen und die ‘Anti Terror
Käthe’, sehr gut und mit beeindruckender Gesangs-Basseinlage. Wow, was konnte der klasse singen! Gleich danach kamen die Wise Guys auf die Bühne, eine Kölner a-cappella-Gruppe. (OK, ich kenne
sie gut, aber ich tue jetzt mal so, als sei ich völlig neutral und hätte mich nicht den ganzen Abend auf ihre Auftritte gefreut.) Sie bekamen auffallend viel Auftrittsapplaus und Dän begann mit
einer kurzen Anmoderation, die allerdings zu schwer für den Anfang des Abends war. Seine Sprüche mit “A-cappella ist Singen ohne Musik” (oder so ähnlich) und mit den “Ausnahme-Einfällen und
Einnahme-Ausfällen” waren klasse, aber so unerwartet kompliziert, dass sie bei den meisten Zuschauern nur sehr langsam in die Hirnzellen sickern konnten. Ehe sie vollständig
ankamen, legten die Wise Guys schon mit “Kinder” los. Zunächst blieb im Zuschauerraum alles ruhig, doch dann kicherte es an vielen Ecken, erst leise, dann ungehemmter und die
Stimmung wurde vergnügt. Eine Strophe mehr, und es wäre richtig heftig gelacht worden, doch da war schon alles vorbei und unter viel Applaus zogen sie wieder ab. Ein sehr guter
Auftritt und ich war entspannt und zufrieden. (Die Länge dieser Beschreibung zeigt, dass ich doch nicht völlig neutral war.) Erwin Grosche trug Herrn Litzmann ein Gedicht über einen Schneeschieber vor, wählte gewagte Wortkombinationen und setzte den Schneeschieber dazu rhythmisch ein. Sehr
abgedreht und witzig, und ich fand ihn total niedlich und nett. Danach Ingo Appelt, der
frech grinsend auf die Bühne marschierte und gleich mit seinem diabolischen Grinsen im Gesicht loslegte. Eigentlich mag ich Frechheit auf der Bühne, aber Ingo Appelt ging mir mal wieder einen großen Schritt zu
weit. Er machte heftige Witze über Behinderte und irgendwie konnte ich plötzlich nicht mehr darüber lachen. Ich muß zugeben, dass ich über heftige Witze, die man eigentlich nicht machen sollte, manchmal sehr
lachen kann, wenn sie supergut sind und den Punkt treffen, aber hier war es irgendwie nicht mehr witzig. Es war ein Lächerlichmachen von Anderen und da hörte bei mir das Vergnügtsein auf und ich fand es nur
noch peinlich. Schade. Herrn Rau machte er sehr gut nach, allerdings fand ich seine Witze über Gebissträger nicht so prickelnd. Sein Piet Klocke, der Hitler spielte, war dann wieder sehr
gelungen, aber in den Abgangsapplaus mischten sich doch einige Buhrufe und Pfiffe, weil ein ungutes Gefühl blieb. Schade, Ingo Appelt ist so fähig, kann viel und gleitet doch immer
wieder in die unschöne, weil nicht augenzwinkernde Gehässigkeit ab.Es kam aber noch schlimmer und das ausgerechnet von Horst Schroth. Während er sonst in
seinen Programmen viel über Männer und Frauen erzählte und charmant in den treffenden Punkten bohrte, trat er an diesem Abend als Psychopath auf. Erschreckend echt,
unheimlich, aber nicht mehr amüsant. Er erzählte von Unfällen, Blut und seiner Freude daran, und im Zuschauerraum wurde es sehr ruhig. Die Stimmung ging total runter und
seine Erzählung, wie er Leute vor die U-Bahn stößt, war wirklich bedrückend. Nein, das gefiel mir überhaupt nicht, weil es viel zu hart war und richtig Angst machte. Das war
reales, brutales Leben, aber nicht überspitztes, treffendes Kabarett. Zum Glück kamen danach Queen Bee auf die Bühne. Sie röhrten los, füllten die ganze
Beethovenhalle mit ihren Wahnsinnsstimmen, hatten aber leider das falsche Lied. Nach den ekeligen Unfällen bei Horst Schroth sangen sie ausgerechnet von einem Mann, dem sie die
Wahl zwischen ‘vom-Balkon-springen’ und ‘erhängen’ gaben. Normalerweise ein sehr witziges Lied in ihrem Programm, aber mit dem bedrückenden Gefühl der Vornummer nicht
so ganz glücklich gewählt. Schon wieder Blut und Tote, und die Publikumsreaktion blieb etwas gedämpft. Danach noch ein supergut gebrachtes Lied in norddeutscher Sprache, aber die typische Queen Bee Art kam nicht ganz rüber und der Endapplaus blieb leider weit unter ihrer gebrachten Leistung.
Sehr schade, aber eindeutig durch die vorherigen beiden Nummern beeinflußt. (Mädels, macht euch nichts draus, ihr wart klasse!!) Fritz Litzmann hörte Erwin Grosche bei einem gehauchten Fön-Gedicht zu, dann
kam Cordula Stratmann als Annemie Hülchrath. Großer Jubel, als sie im biederen Abendkleid quer durch das große E auf die Bühne kletterte. Sie
erzählte von ihrem Hund Helmut, der demnächst auch 15. Gburtstag feiern würde, aber nicht so groß wie das Pantheon in der Beethovenhalle. Zuerst war es superwitzig, aber dann
wurde Helmut plötzlich zu menschlich und das war nicht mehr so gut. Wenn Annemie ihn für
ihr Kind HÄLT, ist es klasse, aber nicht, wenn er sich auch so benimmt. Das war dann doch etwas viel, aber am Schluß fand sie eine witzige Kurve zu ihrem Polyesterkleid und zog unter viel Applaus
ab. Einfach süß, die Frau. Im Publikum tauchte Heinrich Pachl auf und zählte politische Frühstücks-Verbindungen auf. Gut gemacht, mir persönlich aber zu schnell und
kaum geistig zu verarbeiten. Unglaublich lange Sätze mit vielen Namen und zuviel Informationen in der Sekunde. Etwas langsamer, dann hätte ich es genießen können. (Liegt vielleicht an meiner blonden Haarfarbe.)
Rainer Pause und Norbert Alich sangen etwas über die ‘Bimbesrepublik’, Erwin Grosche trug ein Ball-Gedicht vor, dann war Olli Dittrich mit den Meldungen vom ‘Spocht’ dran. Wahnwitzige Wortspielereien in hohem Tempo und vor allem auswendig( !) vorgetragen, nicht immer
der Brüller, sondern manchmal sehr quer gedacht und mit gequältem Aufstöhnen vom Publikums kommentiert, dem dann ein “Tapfer!” von Olli Dittrich folgte, aber ich fand es sehr klasse. Meine
Hochachtung vor dieser Leistung. Der letzte Text war ein richtiges Feuerwerk einer Geschichte mit eingebauten Namen amerikanischer Schauspieler und einfach der Wahnsinn. Lauter Applaus und ich
hatte plötzlich sogar den Witz mit dem Zehner kapiert, bei dem es vorher so ruhig geblieben war. Der war aber auch extrem quer. (“Vom Zehner gesprungen und den Schein nachher eingesteckt” - das braucht Zeit.)
Volker Pispers ging hart gegen Ausländer an, sprach von Identität und Integration und
wurde immer besser. Er hielt allen Stammtischrednern den Spiegel vor und ich war sehr begeistert von seinen treffenden, manchmal harten, aber mit liebevollem, menschlichen Blick gebrachten Erklärungen. Supergut!
Die zweite A-cappella-Gruppe des Abends war Basta, auch aus Köln und ich versuche das jetzt auch wieder ganz neutral zu sehen. Sie brachten ihre Kombination aus Buena Vista Social Club
und Yesterday, waren mit dieser Show sehr witzig und ernteten viel Gelächter. Ein runder, guter Auftritt, der Spaß brachte, sehr gut ankam und über den ich nicht meckern konnte.
Fritz Litzmann und Erwin Grosche leiteten mit einem Gedicht über den ‘Reissver-Schluß!’ zur Pause über und es gab die Möglichkeit vor der Saaltüre frische Luft zu holen. Mit ‘Herbert Rosenberg’, dem Bruder von Marianne ging es bei Basta weiter. ‘Er gehört zu
mir’ hatte eine sehr witzig gebrachte Show, die über die musikalischen Unsauberkeiten hinweghalf. Etwas hektisch gesungen, aber mit lustiger Gröhnemeier-Parodie, die gut ankam.
Drei auf ziemlich alt gemachte Männer schlurften auf die Bühne, hießen Ars Vitalis und lösten bei einem Teil des Publikums Gelächter, beim anderen Teil verwundertes Schweigen
aus. Ich hielt mich in der Mitte, grinste verwundert und fragte mich, was sie da machten. Sehr seltsame Gespräche, dann niedliche 50er Jahre Unterhaltungsmusik, alles etwas
abgedreht und komisch. Häh? Ein ganzer Abend damit wäre mir wohl zuviel, ... obwohl.... interessant war es schon, aber in dieser Kurzform von mir nicht zu beurteilen. Die Vorleser Jess Jochimsen, Jochen Malmsheimer und Horst Evers kamen und
ich wußte was mich erwartete und freute mich. Sie lasen abwechselnd aus ihren Texten vor, dankten immer wieder Rita Baus, “ohne die das hier nicht möglich gewesen wäre!” und waren sichtlich
vergnügt. Besonders Horst Evers hatte ich noch nie so lustig und gelöst auf der Bühne gesehen. Ganz klar, dass es ein guter Programmpunkt war, der viel Gelächter auslöste und sehr gefiel. Alle
drei sowieso sehr zu empfehlen!
Gerd Köster brachte “für Rita, with a kiss” das “pointenfreie Lied” ‘Waltzing with
Mathilda’ und wurde dabei von Frank Hocker an der Gitarre begleitet. Zusätzlich gab es noch ein Schlagzeug, ein Saxophon und eine Slide-guitar (ich hoffe, das heißt so) und es war sehr schön,
auch wenn es nicht ganz in das Programm paßte. Die Bühne war wunderschön angestrahlt, Gerd Köster legte sehr viel Gefühl in den Song, wirkte zerbrechlich und kaputt und die sentimentale
Stimmung kam gleich rüber. Sehr schön. Als Kontrast sangen danach Rainer Pause und Norbert Alich ihr BSE-Lied, ein supergutes, sehr witziges ‘Pott-Pürree’ von K/Rinderliedern, dann folgte Georg Schramm, der über Krieg und Pazifisten sprach. Es war fast schon
wieder zu echt um schön zu sein und das Lachen blieb manchmal im Halse stecken, weil er so hart und überzeugend war. ‘Jetzt ist Sommer’ von den Wise Guys folgte, und
Dän bremste die Klatscher am Anfang mit einer Bemerkung über 1 und 3 etwas aus, so dass sich manche gar nicht mehr trauten und nur noch vereinzelt geklatscht wurde. Am Schluß gab es
aber sehr lauten Applaus, der zeigte, das die Nummer gefallen hatte. Gleich danach
Missfits mit ihrer sofortigen Erklärung “Wir haben nichts gegen Männer!” Sie zählten die Vorzüge ihrer Herrenanzüge auf, waren locker, witzig und sehr nett. Zum Abschluß ein Lied, nicht
besonders schön gesungen, aber sehr liebevoll und ein wenig sentimental. Motto: “MACHT es einfach!” Große Klasse!
Erwin Grosche brachte ein
abgedrehtes, rhythmisches Bier-Gedicht “Richard Gere trinkt Bier”, dann kam Michael Mittermeier. Wow! Den find ich ja total süß und schnuckelig. Er brachte kleine Ausschnitte aus seinem Solo-Programm und war wie immer mit vollem Einsatz dabei. Es gab viel Gelächter und war einfach erstklassige
Unterhaltung. Super! Als Ersatz für den erkrankten Harald Schmidt kündigte Fritz Litzmann einen “berühmten Überraschungsgast” an. Es war Helge Schneider, der zunächst einmal umständlich das Mikrofon
umbaute. Die Zuschauer kicherten leise und er grinste: “Oh, ist die Zeit auch schon bald rum hier.” Nach seinem unlustig absolviertem Auftritt in der Philharmonie war ich eigentlich sauer auf ihn, aber
im tiefsten Herzen liebte ich ihn ja doch. Liebevoll grinsend verfolgte ich seine Bewegungen und als er dann ganz lässig leicht perlenden Jazz auf dem Flügel spielte, war ich gleich wieder hin und weg. (Mensch, Helge, hättest du so nicht auch damals bei deinem Auftritt sein
können?) Er brachte sein Lied “Geh doch deine Oma mal wieder besuchen” und erzählte mit Musikbegleitung die Geschichte des Wartens auf den Enkel Horst. Wunderbar abgedreht, typisch Helge Schneider und ich
amüsierte mich sehr. Am Ende großer Applaus und ein Helge Schneider, der am Flügel saß und mit Blick auf die leere Bühne verwundert fragte: “Und jetzt? Holt mich keiner ab?” Doch da kamen dann Rainer Pause und
Norbert Alich auf die Bühne, hinter ihnen die Wise Guys und Basta, und außerdem ein Pianospieler, der Saxophonspieler und der mit der
Slide-guitar. Sie sangen ein Motto-Lied des Pantheons, und nach und nach kamen alle Künstler des Abends dazu. Es wurde richtig voll und war ein optisch eindrucksvolles Finale.
Viel Lachen und Winken auf der Bühne, begeisterter Applaus vom Publikum und bei mir das Gefühl einen wirklich tollen Abend erlebt zu haben! |