23. April 2001, Pantheon, Bonn
40.Kabarettfestival
mit
Andreas Rebers, Django Asül, Wolfgang Nitschke, Hiss
und Horst Schroth. Moderation: Jürgen Becker

Das Kabarettfestival im Pantheon halte ich für eine wunderbare Einrichtung. Zum einen ist Jürgen Becker dabei, den ich ja sowieso klasse finde, und der mit witzigen, launigen Zwischenstücken die Überleitungen zu den verschiedenen Künstlern moderiert. Zum anderen lerne ich an so einem Abend sehr verschiedene Darsteller mit Ausschnitten aus ihren Programmen kennen, die ich vielleicht von alleine nicht in einem kompletten Programm besucht hätte. Selbst wenn mir ein Darsteller mal nicht so gut gefällt, ist er für 30 Minuten gut zu ertragen und ich weiß wenigstens, dass ich mir Karten für den Soloabend sparen kann. Aber ich vertraue auch dem Pantheon-Theater, das keinen Abend mit vier grottenschlechten Interpreten veranstalten würde.

Insgesamt ist so ein Kabarettabend immer sehr unterhaltsam, und die Aufzeichnung davon kann außerdem 5 Tage später nochmal im Radio gehört werden. Ein schönes Gefühl, wenn man selbst dabei war und außer dem Radioton auch noch die passenden visuellen Erinnerungen an die Szenen hat. Auch die Karten für den 40. Kabarettabend hatte ich mir gekauft ohne zu wissen, wer dabei war. War aber auch egal. Bekannte Interpreten konnte ich mal live erleben, die mir unbekannten endlich entdecken.

Das Pantheon war knackig voll und unter Applaus kam Jürgen Becker auf die Bühne, begrüßte die Hörerinnen und Hörer (war ja eine Radiosendung) und verwandelte die Sendung sofort in eine der zeitgemäßen Rateshows. Besonderen Wert legte er dabei auf die Antwortmöglichkeiten A, B, C und D. Das gab gleich gute Laune und Gelächter und der Abend war locker gestartet. Auch wenn er beklagte, dass es “nur eine Million für die Antwort gab”.

Andreas Rebers, Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft (Antwort A), löste ihn ab und stellte einen Lehrer bei der Pausenaufsicht dar. “Mit einem Messer im Rücken gehe ich noch lange nicht nach Hause!” Mein Problem dabei war, dass er viel zu realistisch war. Genau solche Lehrer und die Reaktionen kenne ich, darum konnte ich gar nicht so laut lachen. Als er dann ein Akkordeon umschnallte, “ein Stück Heimat, das man vor den Bauch binden kann”, und die Unterschiede zwischen deutscher und ausländischer Musik zeigte, gab er soviel Stammtisch-Vorurteile von sich, dass mir bei alle seiner Virtuosität auf dem Akkordeon, das Lachen manchmal im Hals steckenblieb. (“Das meint der doch wohl nicht so?”) Er führte deutsches Liedgut vor “So klingt Stabilität!”, wirbelte mazedonische Klänge in die Luft “Wer so fingerfertig ist, klaut auch Taschen!” und kommentierte eine langsame, melancholische russische Weise mit “Die haben mehr Bodenschätze als die Holländer, aber bringen’s zu nichts!”

Eigentlich wirkte er sehr erschreckend echt. Ein deutscher, spießiger Beamter, der freundlich lächeln kann und ganz schreckliche Meinungen über Ausländer hat. Zum Abschluß sang er als Asylbewerber in gebrochenem Deutsch (sehr schön der ‘Sackbearbeiter’!) über das “Pony Johnny”, fiel dabei in den typischen Hans-Albers- Schluchzgesang und bekam anschließend viel Applaus. Er war gewöhnungsbedürftig, weil er nicht so offensichtliche Satire machte, aber als ich mich hineingehört hatte, fand ich ihn sehr gut. Als er fertig war, hätte ich ihn gerne noch länger angehört, aber da war dann schon Wolfgang Nitschke dran.

Der setzte sich an einen Tisch und nahm sich unter dem Motto: “Das literarische Schafott”, das Buch “Auf der Suche nach einer öffentlichen Moral” von Helmut Schmidt vor. Er zitierte Textpassagen aus dem Buch und kommentierte sie knapp und sehr scharf. Wahnsinnig gut! Seine Kommentare waren treffend, aber der wahre Witz waren die Originalzitate. Absolute Realsatire! Helmut Schmidt’s Vorschlag, einen Tag in der Woche fernsehfrei zu gestalten, und stattdessen in der Familie zu singen und zu musizieren, wurde von Wolfgang Nitschke mit “Da kommt der Mord und Totschlag von der Straße ins Wohnzimmer” gekrönt. Ein sehr guter Programmpunkt, von dem es später noch mehr gab.

Zuvor kam die Gruppe Hiss auf die Bühne. Fünf Musiker, die mit Schlagzeug, E-Gitarre, E-Bass, Akkordeon (+Gesang) und Harp laut, fetzig und mitreißend loslegten. Die Musik hatte einen leicht irischen Einschlag, war gut gemacht und durch das Akkordeon ungewöhnlich. Allerdings hauten die deutschen Texte mich nicht um. Auch die Show, die der Frontmann am Akkordeon (Typ: südamerikanischer Macho) und der Bassmann (Typ: Luftgitarrenspieler) machten, fand ich albern. War also nicht ganz mein Fall.

Nächster Bühnenkandidat war Django Asül. Den kannte ich aus verschiedenen Fernsehauftritten. Er hat einen türkischen Namen, sieht typisch türkisch aus, und wenn er den Mund aufmacht, kommt nur bayerischer Dialekt raus. Ein wunderbarer Kontrast. Türke und Bayer, sozusagen zwei Randgruppen auf einmal. Er erzählte zunächst von seinem Wunsch ein Spion zu werden “Ich hätt da auch schon ein Geheimnis!” und legte dann los mit Stories über Asylanten, Fremdenfeindlichkeit und Ostdeutschland. Auch er präsentierte manches knallharte Vorurteil und obwohl ich bissiges Kabarett liebe, musste ich manchmal schlucken. Er stand ruhig auf der Bühne, schaute mit seinen großen, dunklen Augen intensiv ins Publikum und ließ so manch harte Sachen los. Ich persönlich lache einfach fröhlicher und schadenfroher, wenn es gegen Politiker und andere “Größen” geht. Immer feste drauf - kommt schon gut an! Aber wenn es auf Leute geht, die sowieso oft einen drauf kriegen, habe ich Probleme. Trotzdem war es witzig und “türkische Auffanglager für Deutsche, die im Sommer Asyl in der Türkei suchen” waren wirklich lustig. Insgesamt also gut, aber hart.

Dann war erstmal Pause und ich blätterte das Pantheon-Programmheft durch, und beschloß, dass ich unbedingt demnächst mal Horst Schroth ansehen müsste.

Nach der Pause erklärte Jürgen Becker kurz, dass es später für die Radiohörer keine Pause gäbe, und wir mussten applaudieren, als wäre Django Asül eben erst von der Bühne gegangen. Machten wir natürlich perfekt. Eigentlich hätte jetzt Thomas Freitag kommen müssen. Da hatte ich mich schon sehr gefreut, denn ich finde ihn klasse und habe ihn ganz viele Jahre vorher mal im Düsseldorfer Kommödchen gesehen. Da stand er mit einem jungen, schlaksigen Nachwuchskabarettisten auf der Bühne, der Harald Schmidt hieß. Leider war Thomas Freitag an diesem Abend erkrankt und als Aushilfe kurzfristig eingesprungen war: Horst Schroth! Wie schön!

Charmant plauderte er über Krankheiten, seine Hypochondrie und die Befürchtung eine Gebärmutterhalsentzündung zu haben. Obwohl er die Texte fast vollständig ablas, brachte er sie locker, lebendig und wie frisch formuliert. Große Klasse! Die Anspannung konnte man ihm ansehen, denn er musste unvorbereitet 20 Minuten Programm machen, aber das Ergebnis war supergut. Und erstaunlicherweise kann er die blödsten Kalauer so nett rüberbringen, dass die Zuschauer vor Lachen quietschen, obwohl sie die Pointe seit 20 Jahren kennen. Wieselig fing er Publikumsreaktionen auf und reagierte sofort darauf. “Die Dame nickt - sie kennt das!” Ein sehr lustiger Programmpunkt des Abends, wieder voller Vorurteile beim Mann-Frau-Konflikt, aber nicht hart, sondern superwitzig.

Anschließend kam Wolfgang Nitschke mit zwei weiteren Buchbesprechungen. Zunächst Franz Alt “Der ökologische Jesus”. Es war nicht zu fassen, was dort für ein Schwachsinn verzapft war! Wir kamen aus dem Lachen kaum noch heraus. “Alt-Papier ist geduldig”. Das zweite Buch war jedoch der Hammer. “Die Glücksmargerite” von Norbert Blüm. Der kleine Nobbi, der immer so nett, humorvoll und ungefährlich wirkte, zeigt in diesem Kinderbuch(!) was noch in ihm steckt. Wolfgang Nitschke las minutenlang nur vor und es war eine grauenhafte, albtraummäßige Geschichte, die voll von Skeletten, Totenschädeln, Blut und giftigen Skorpionen war, die das ‘Gift des Bösen’ aus einem Geysir holen wollten. Unter anderem gab es auch in Einzelteile explodierende Hexen und Krokodile mit Schwänzen, die als Abschußbasis für Raketen dienten. Kommentar: “Ich würde sagen, dass normale Kinder nach dieser Gute-Nacht-Geschichte relativ wach sind!” Je weiter es ging, desto schrottiger und bescheuerter wurde alles. “Ist es nicht phantastisch, was kleine Männer für große Gedanken haben können?”. Nach einer weiteren Lesung einer der Blüm’schen Kindergeschichten, bei der einem Prinzen Arme und Beine fehlten, konnte das Publikum vor Lachen kaum noch. Das einzig Traurige war, dass es dieses Buch ernsthaft gibt. Unter dem Titel “Bestsellerfressen” gibt es die Ergüsse von Blüm und anderen Leuten übrigens als Taschenbuch zu kaufen. Natürlich passend kommentiert von Wolfgang Nitschke. (Ich hoffe jetzt sehr, dass meine Berichte niemals laut vorgelesen und dabei ein ungewollter Heiterkeitserfolg werden!)

Nach einer letzten Zwischenmoderation von Jürgen Becker (schön zu sehen, wie er dabei ständig den umräumenden Bühnenleuten aus dem Weg gehen musste, dabei aber weiterredete, als ob nichts wäre), kamen nochmal Hiss auf die Bühne. Diesmal mit fünf Liedern. (Entsetzte Frage von Rüdiger neben mir bei dieser Ansage: “Wieviel???”)

Es war wieder gut gebracht, aber ich befürchte, ich würde das keine CD lang aushalten. Dafür klang es mir doch alles zu ähnlich. Außerdem finde ich Textzeilen wie “Hagel, Pest, Schmerzen und Qual, die Apokalypse ist da!” zu fröhlicher irischer Feier-Musik sehr seltsam. Überhaupt hatte ich meine Probleme mit den Texten. Sie waren sehr einfach, voller Klischees und platte Sachen wie “einsamer Reiter”, “die Sonne im Gesicht”, “mitten ins Herz”, “der Tag ist so kurz, so lang ist die Nacht”, sind einfach nicht mein Ding. Hörte sich oft auch trotz des guten Akkordeons und der tollen Harp an, wie mitten aus der Schlagerparade. Vielleicht sollte das ja auch extra sein, Satire also, aber dann bin ich zu blöd und hab ich es nicht begriffen.

Zum Abschluß zählte Jürgen Becker für die Radioaufzeichnung nochmal alle Mitwirkenden auf, es gab viel Applaus und ich fand, es war wieder mal ein interessanter, informativer, manchmal harter, trotzdem lustiger und sehr guter Abend. Hat sich gelohnt!

Das Buch von Wolfgang Nitschke habe ich mir übrigens sofort im Foyer gekauft.
Die CD von “Hiss” aber lieber nicht.

Radioausstrahlung:
Samstag, 28. April 2001, 16.05-18.00 Uhr
WDR 5   “Unterhaltung am Wochenende”

zurück zu So war’s