September 2000
 Tschüss, Bonn!
Eine rheinische Kaffeefahrt mit
Jürgen Becker und Martin Stankowski

Im letzten Jahr hatten wir diese Tour mit viel Spaß als “Probepublikum” mitgemacht, und jetzt wollten wir mal sehen, wie sie als Endprodukt in ihrer offiziellen Form abläuft.

Mittwochs, 10 Uhr, an einer Kneipe am Kölner Ubierring. Wir enterten den Doppeldeckerbus und starteten Richtung ehemaliger Hauptstadt: Bonn. Mit an Bord waren der Journalist Martin Stankowski und der Kabarettist Jürgen Becker. Ein Paar, das sich sehr gut ergänzte. Der eine sorgte mit fundierten, interessant erzählten Geschichten für viel Information, der andere würzte es durch einen gehörigen Schuß Humor, so dass in idealer Weise Lernen und Lachen verbunden wurden. (Außerdem gab es ein Fäßchen Kölsch, das aber erst für die Rückfahrt vorgesehen war, damit wir dem Programm bis dahin einigermaßen klar folgen konnten.)

Zunächst ging es mit kleinen Stories über “Anwohnerparken der Flößer” und “Nazi-Vergangenheit der ev. Kirche” durch Bayenthal, dann bog der Bus in eine unauffällige Straße zum Nobelviertel “Hahnwald” ein. Über den Buslautsprecher wurde “In the ghetto” von Elvis gespielt, denn hier leben die Menschen wirklich abseits der realen Wohnwelt. Allerdings nur, weil sie MEHR Geld, als die durchschnittlichen Bürger haben. Jürgen Becker richtete sein Hauptaugenmerk auf die Vielfalt der Zäune, erläuterte fachmännisch ihre Namen und wußte einiges über Qualität und Haltbarkeit zu sagen. Namen wie “Amrum” und “Sylt” flogen uns um die Ohren und wir bekamen einen Blick für gutes und schlechtes Zaundesign. Auch diesmal sahen wir wieder keine sonnenbadenden Damen hinter den Mauern, erblickten auch niemanden, der die Garagenauffahrt saugte, hatten aber einen Riesenspaß.

Über die Autobahn ging es mit Musik und Stories weiter. Als wir auf den Bonner Verteilerkreis fuhren, stürzte plötzlich ein wild fuchtelnder Mann auf die Straße, hielt mitten im Verkehr unseren Bus auf und bestand darauf einzusteigen. (Natürlich entstand hinter uns sofort ein Stau!! Ich hätte mich das nie getraut!) Mit seinem engen Anzug und den zurückgekämmten Haaren erinnerte er mich stark an meinen (damals noch jugendlichen) Opa in den 50er Jahren. Es war Fritz Litzmann in seiner Eigenschaft als Alterspräsident des Heimatvereines “Rhenania”. (Eigentlich ja Rainer Pause, aber er ging so gut in seiner Rolle auf, dass ich ihn weiterhin Fritz Litzmann nennen werde!)

Er war völlig mit den Nerven am Ende, jammerte uns die Ohren voll über das arme Bonn, die “Perle des Rheinlandes”, und sammelte währenddessen mit einem Klingelbeutel ein “Notopfer Bonn” ein, das von den Mitreisenden auch brav bezahlt wurde. Bei der Fahrt durch Bonn beklagte er das Schicksal der ehemaligen Hauptstadt, die von den Römern noch VOR Köln bewohnt war. Völlig logisch: Von Italien aus mussten die Römer erst durch Bonn, ehe sie nach Köln kamen! Zusammen mit Jürgen Becker demonstrierte er bei einem kurzen Stopp an einer Nachbildung eines Römischen Krans, wie die armen Ubier für die Römer arbeiten mussten. Es war hinreißend komisch. Fritz Litzmann im schwarzen Anzug und mit Römerhelm auf dem Kopf, brüllte herum und knallte mit einer Peitsche auf den Ubier. Der wurde mit Hilfe eines plüschigen Autositzfelles, das über Kopf und Rücken hing, perfekt dargestellt von Jürgen Becker. Noch witziger wurde es dann, als die beiden in dieser Montur den Autoverkehr anhielten, um den Bus rückwärts auf die Straße zu winken. Grinsende Passanten sahen dem Schauspiel zu und auch wir im Bus mussten extrem lachen. Das sah einfach zu blöd aus! Sehr schön!!

Den Tränen nahe sang Fritz Litzmann schaurigschön “Good bye, Rheinlands Rose” (sehr frei nach Elton John), nölte verbittert über den Umzug nach Berlin, brach beim Anblick von Umzugswagen und “Zu-vermieten”-Schildern fast zusammen und verliess schließlich fluchtartig den Bus, kurz bevor wir auf die andere Rheinseite fuhren. Viel Applaus, Gelächter und Winken verabschiedete ihn und es war ein wirklich witziger Programmpunkt.

Mit der Rheinfähre ging es rüber, wobei unsere beiden Reiseleiter mit dicken Holzbrettern, die waghalsig in letzter Sekunde unter die Busräder geschoben wurden, ein Aufsetzen des Busbodens verhindern konnten. Spannend! Die kurze Überfahrt bei Sonne und blauem Himmel war sehr schön und es ging ganz schnell weiter bis nach Rhöndorf, unserem Ziel. Wir liefen zum Konrad-Adenauer-Haus und erhielten eine kleine Führung mit Geschichten von Martin Stankowski. Unsere Hauptfrage am Ende war: Wie kann die Familie Adenauer heute noch mit über 40 Personen plus Weihnachtsbaum plus Krippe in das Wohnzimmer passen?? Darauf gab es leider keine Antwort. Dafür erzählte Jürgen Becker vor dem Haus Anekdoten von Adenauer, den er im Tonfall “wie echt” nachmachen konnte. Das paßte einfach sehr gut. Man kam aus Adenauers Wohnzimmer, stand auf seiner Terrasse und hörte ihn dann auch noch reden. Toll!

Auf dem Rückweg zum Parkplatz gab es einen kurzen Aufenthalt im Café Profittlich, wieder mit Kuchen oder Brötchen, doch als der letzte Kaffee verteilt war (sie waren nicht besonders schnell!) wartete schon der Bus. Dort wurde auch endlich das Fäßchen angeschlagen und mit lecker Kölsch und lustigen Erzählungen ging es zurück nach Köln. 

Fazit: Eine sehr kurzweilige Fahrt in einem ungewöhnlichen Kabarett-Programm. Ist es Kabarett? Eigentlich doch mehr ‘Infotainment’, würde ich sagen. Wir haben jedenfalls sehr gelacht, viel gehört und den Vormittag entspannt genossen. Im Vergleich zur Probefahrt, die wir im Jahr davor gemacht haben, war sie viel kürzer, es fehlte aber trotzdem nichts! Sehr gut!!


Infos über Jürgen Beckers aktuelles Programm
“Da wissen sie mehr als ich” gibt es auf
www.juergen-becker-kabarettist.de

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