Horst Evers - Gefühltes Wissen   Geschichten, Lieder, Sensationen
5.10.2004, Atelier-Theater, Köln

Das kleine Atelier-Theater war rappelvoll. Wir warteten auf den Beginn des Programmes und lauschten dabei dem musikalischen Unterhaltungsprogramm, das im Ateliertheater meistens besonders gut war. Plötzlich die ersten Klavier-Akkorde vom Band, die uns in den Tiefen der Gedächtnisse sehr bekannt vorkamen, wir grinsten uns an und behielten das Grinsen für weitere drei Minuten im Gesicht. Da liefen doch tatsächlich die Wise Guys zusammen mit Tom van Hasselt bei “Geh’n Sie doch mal wieder ins Kabarett”! Das Lied mochte ich sowieso sehr, aber es gab zufällig auch nur eine einzige Aufnahme aus dem Jahr 2001 davon: Unsere, die bei Tom auf die CD gekommen war. Wie witzig, das so unerwartet im Theater zu hören, während wir auf Horst Evers warteten.

Noch in den letzten Akkorden wurde die Musik völlig unsubtil abgedreht, und die Theaterleiterin (ich glaube, es ist eine von mehreren) kam auf die Bühne und sagte den Künstler an: “Wir freuen uns schon seit Wochen auf ihn!” Ja, und ich erst! Mein letzter Horst Evers Abend war lange her und ich war sehr gespannt auf das neue Programm. Es ging auch gleich los. Allerdings völlig ohne Horst Evers, dessen Stimme anscheinend nur von einem tragbaren Radiogerät auf der Bühne kam. In einem Interview, das im Jahr 2046 live geführt wurde, erinnerte er sich an den damaligen Auftritt im Atelier-Theater, und die ganze Idee war so witzig, dass das Publikum gleich freudig lachte.

Aber dann kam er doch noch selber, sah aus wie beim letzten Programm, hatte wieder sein rotes Hemd an und erklärte zunächst den Titel des neuen Programmes. “Gefühltes Wissen ist es, wenn man eine grobe Ahnung hat. Das Gefühl, etwas zu wissen.” Mit großen Augen und ziemlich ernsthaft erklärte er, was für Probleme entstehen konnten, wenn man dann plötzlich zu viele Informationen bekam und dadurch das Gefühl hatte, doch nicht so viel zu wissen...” und die Zuschauer lauschten seinen Ausführungen, blieben dabei aber nicht ganz ernsthaft, sondern kicherten und lachten mehr oder weniger unterdrückt.

Dann las er seine erste Geschichte vor. Es ging um sein Fußball-Comeback nach langen Jahren in der D-Jugend. In überlegt formulierten Sätzen, die oft knapp und trocken absurde Situationen beschrieben, erzählte er vom Verlauf des Nachmittages. Es passierte Unvorhergesehenes. Irgendwie stand er zwar mitten im Leben, aber das machte mit ihm, was es wollte. Er ließ alles geschehen, guckte nur wenig erstaunt zu, ließ sich treiben und beschrieb die Situation fast emotionslos aus seiner Sicht. Ich liebe seine Gedankengänge, die Formulierungen und seinen Humor! Im Publikum gab es die erste lachende Schnapp-Atmung.


Da Horst Evers ohne Mikrofon sprach, waren die Lacher der Zuschauer zwar spontan, aber schnell wieder unterdrückt, denn langes Gelächter hätte das weitere Zuhören verhindert. Sobald man sah, dass sich seine Lippen zum Weiterlesen bewegten, wurde man still, um nichts zu verpassen. Seine Geschichten verband er mit längeren Moderationen, die oft selber eine Story für sich waren, und er wirkte total nett, sehr freundlich, aber trotzdem etwas abgedreht. Ich war mir sicher, dass er oft so quer dachte, wie er schrieb, und ich fühlte mich sehr vertraut mit Sätzen wie: “Das führt jetzt ein bißchen weg, paßt aber gut da rein.” Das war nur auf den ersten Blick unlogisch.

Außerdem mochte ich, wie er die Absurdität steigern konnte. Zum Beispiel im Wortwechsel mit dem hilflosen Mann vor dem komplizierten Fahrkartenautomaten.
“Bin ich eine Gruppe?”
“Musst du mal nachzählen!”
“Eins.....”
“Nein, keine Gruppe.”

Wie kann man so schräg denken? Wunderbar!
Auch dass es immer wieder Verbindungen zwischen den Geschichten gab und da jemand auftauchte, der vorher dort verschwunden war, fand ich einfach klasse.

Während der Ikea-Geschichte überlegte ich ernsthaft, ob Horst Evers im wahren Leben ein Ikea-Regal aufbauen konnte. Er kokettierte zwar immer mit seiner Faulheit und kam in den Geschichten nicht unbedingt handwerklich geschickt rüber, aber würde er sich dransetzen und es machen? Ehe ich mich für eine Antwort entschieden hatte, musste ich über seine Formulierungen in der Geschichte lachen und das Bild von ihm zwischen Regalbrettern im Wohnzimmer und mit einem kleinen, gebogenen Inbusschrauber in der Hand, flog weg.

Neu im Programm waren Lieder, von denen Horst Evers drei brachte, die im Stil sehr unterschiedlich waren. Beim Niedersachsen- Lied wechselten Basstöne mit gerappten Gedichtzeilen ab, und an die brummenden Windräder, die extrem gut szenisch dargestellt wurden, werde ich mich wohl noch lange erinnern, weil mich echt beeindruckt hatte, mit welcher Energie, sehr guten Rhythmik und Ernsthaftigkeit Horst Evers das Lied vortrug. Danach ein Lied, bei dem ich hätte wetten können, dass es von seinem Kollegen Manfred Maurenbrecher war, weil ich ganz viel von ihm darin erkannte, und vor allem die Singsimme vertraut heftig und rauh war. Aber es war nur im Stil von ihm gemacht. Egal, ich mochte sowohl Manfred Maurenbrecher, als auch seine Lieder sehr gerne und fand es schön an ihn erinnert zu werden. (Übrigens werde ich in ein paar Wochen Horst Evers und Manfred Maurenbrecher gemeinsam auf einer Bühne sehen und freue mich total darauf!)

Das dritte Lied war der Abschluß des Abends. Es ging um Meerschweinchen, war harmlos und schön gesungen, textlich aber so unglaublich abgedreht, dass ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam. Das war mir sowieso den ganzen Abend über schwer gefallen, und auch die anderen Zuschauer wirkten durchgehend extrem gut gelaunt und kicherten immer wieder, oder schluchzten sogar lachend los.

Ein gelungener Abend! Trocken formulierte Geschichten von täglichem Chaos, punktgenauer Witz und ein Mensch, dem man abnimmt, dass ihm solche Dinge passieren könnten. So oder wenigstens so ähnlich. Und singen kann er auch. Ich fand’s superklasse.

Und manchmal musste er sogar selber lachen, weil’s so schön blöd war...



Im Endapplaus habe ich übrigens plötzlich gedacht: Ja, er kann das. Er kann ein Ikea-Regal zusammenschrauben. Keine Ahnung, ob’s stimmt, aber ich würde mich vertrauensvoll an ihn wenden. Allerdings kann ich es ja selber.
Aber vielleicht klingelt es bei ihm demnächst öfter mal an der Haustüre. “Tach, Herr Evers. Ich habe gehört, Sie können ein Regal zusammenbauen...” Täte mir leid, aber ich weiß, er bekäme das organisiert.

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