23. April 2004, Galerie am Schloß, Brühl
DACAPELLA

Der Gruppe fehlte ein P. In den Begriff 'a-cappella' gehörte grundsätzlich und sogar nach dem Duden ein zweites P, das den großen Buchstabentafeln, die lässig nebeneinander am Bühnenhintergrund lehnten und den Namen der Gruppe verkündeten, einfach fehlte. Außerdem waren die Tafeln so weit unten am Bühnenboden schwer zu lesen. Hätte man die nicht irgendwie höher anbringen können? In der Reihe hinter mir sahen das andere Zuschauer ähnlich, und ich hörte mit Vergnügen, wie jemand fast im gleichen Moment sagte: "Wieso stellen die das 'DACAPELLA' nach unten und nie nach oben?"

Es schien, als sei ich in der ausverkauften 'Galerie am Schloß' von erfahrenen Dacapella-Besuchern umgeben. Die meisten waren konzertmäßig gekleidet, es gab weniger Teenies, als Leute über 40, und mehr Perlenketten auf schwarzen Pullis, als Jeans. Waren das hauptsächlich Familienmitglieder? Nee, das konnte nicht sein. So große Familien konnten sie nicht haben, auch wenn sicher die ein oder andere Tante im Publikum saß. Aber schon als mir der Termin für das Konzert genannt wurde, gab es dazu die Empfehlung, die Karte schnell zu sichern, da erfahrungsgemäß zügig ausverkauft sei. Das stimmte. Auch der nächste Abend der Gruppe war schon komplett weg.

Neben mir sagte jemand: "Schade, dass das da unten steht!" und meinte die Buchstaben auf der Bühne. Im ganzen Saal wurden angeregte Gespräche geführt, die durch die festliche Kleidung irgendwie seriös und fundamental musikalisch wirkten. Aber nur so lange, bis ich aus der Reihe hinter mir hörte: "Ich hab' gestern mal so 'nen Kartoffel- Topinambur- Auflauf gemacht. War sehr lecker", und eine erstaunte Gegenfrage kam: "WIE heißt das??" "To-pi-nam-bur."

Mit leichter Verspätung ging's los. Acht dunkel gekleidete Personen verteilten sich auf der dunklen Bühne, und ich war gespannt. Ich wusste nur, dass es vier Männer und vier Frauen waren, keine Profis, sondern ambitionierte Hobby-Sänger, und dass sie sich nicht wie die Könige des A-Cappella fühlten, sondern sehr daran arbeiteten, sich zu verbessern. Das war ja schon ein guter Vorsatz. Die Frage war, von welcher Grundlage aus sie sich verbessern wollten. Mehrstimmiger Chorgesang muss nicht grundsätzlich schön sein. Da könnten Verbesserungen schon recht früh ansetzen.

Das Bühnenlicht ging an, die ersten Stimmen setzten ein, die restlichen kamen dazu, und ich hörte nicht nur einfach irgendein mehrstimmiges Lied, das im schlimmsten Fall von einem hauchigen Laienchor hätte präsentiert werden können, sondern richtig gute Stimmen, ein sehr interessantes Arrangement mit vielen engen Harmonien, rhythmisches Off-Beat-Klatschen und einen Aufbau, der wirklich musikalisches Können erforderte. Und das Können war eindeutig vorhanden.

In einem sehr gemischten Programm wurde gezeigt, wie vielfältig die Gruppe war. Vom swingenden "Armen Gigolo", über das karibische "Rum and Coca Cola" von den Andrew-Sisters und einem fetzigen "Neue Deutsche Welle-Medley", ging es bis hin zum abgedreht-kölschen "MGV-Concordia" von den Bläck Fööss. Neben den sehr guten Stimmen und den abwechslungsreichen, schwierigen Arrangements (schwierig, aber souverän gemeistert), fielen auch die guten Choreografien auf. Jedes Lied hatte eine eigene Aufstellung, es passierte viel auf der Bühne und es wurde nie uninteressant. Mit Lässigkeit und Schwung, mal in synchroner Bewegung schnippend, mal umherlaufend und sich in neuen Gruppen zusammenfindend, präsentierten die Sänger ihr Programm locker und mit ansteckendem Spaß. Die Zwischenmoderationen übernahm  einer der Tenöre launig, kurz und mit rheinischem Einschlag, der so manchen Lacher brachte.

Kurz vor der Pause gab es plötzlich massive Mikrofonprobleme, die sich vor Beginn eines Liedes in lauten Knack- und Schnarrgeräuschen bemerkbar machten. Die Dacapella-Leute brachen nicht in Panik aus, sondern blieben so lässig, dass ich das eine Weile lang fast für einen Programmpunkt hielt, der auf das nächste Lied überleiten sollte. Auf der Bühne wurden alle Handmikros abgeschaltet und der Techniker fragte von hinten laut über sein Mikro: "Welches ist es?", woraufhin der moderierende Tenor gespielt verzweifelt antwortete: "Ich kann ja nix sagen. Es sind ja alle aus!" und ein seufzendes: "Ohweia!" hinterher setzte. "Zur Not singen wir auch ohne!" kommentierte die Gruppe das Problem und hätte das auch sicher gemacht, aber nachdem einmal das Bühnenlicht komplett aus, und dafür das Saallicht an war, taten es plötzlich auch die Mikros wieder. "Wir machen jetzt erstmal schnell weiter, so lange es funktioniert", versprach der Moderator, verfing sich dann aber in einer ungewöhnlich langen Ansage, so dass die anderen mehrfach ihre bereitgehaltenen Mikros absetzen und ihn grinsend zur Eile antreiben mussten.

Der zweite Konzert-Teil war noch besser, als der erste. Auf der Bühne standen acht individuelle Persönlichkeiten, die acht sehr unterschiedliche Stimmen hatten. Die Gruppe hatte nicht versucht die alle in einen Einheitsklang zu bekommen, sondern sie im Gegenteil abwechselnd hervorgehoben. Die Leadstimmen waren je nach Sänger mal funkig, mal jazzig, mal soft - immer passend zum Lied. Kein Wunder, dass sie mit dieser Auswahl an Stimmen ein so ein vielfältiges Repertoire haben konnten. Sie wagten sich sogar an die 'Bohemian Rhapsody' von Queen und machten daraus ein kölsches Jugenddrama, die 'Bergheimian Rhapsody'. Das Ergebnis war musikalisch klasse und dazu noch sehr lustig.

Ein begeistertes Publikum erklatschte sich am Ende mehrere Zugaben. Neben einem Medley mit gesanglicher Zuschauer-Eigenbeteiligung, gab es noch 'Und es war Sommer', mit einem fast echten Peter Maffay, der sich mit Rosinen aus der Hemdtasche eine dicke Warze ins Gesicht klebte. Zur Freude des Publikums fiel die immer wieder ab und musste während des Singens durch eine neue ersetzt werden. Manchmal allerdings dachte Herr Maffay, dass die Rosine längst weg wäre, tastete die Wange ab und hielt sie dann überrascht und mit erschrockenem Gesichtsausdruck zwischen den Fingern.

Ein kölsches Medley schloss den Abend ab. Als der Refrain von "Superjeile Zick" lässig und fast nahtlos mit "Those were the days, my friend" verbunden wurde, grinste ich breit, denn diese Ähnlichkeit war mir auch schon aufgefallen. Bei DACAPELLA war es aber so geschickt in den Vortrag eingebunden, dass es nicht mal alle Zuschauer bemerkt haben werden.

                                (Bild von der Homepage:  www.dacapella.de)

Fazit: Es war ein sehr schöner, kurzweiliger Abend mit natürlichen, sympathischen Darstellern, toller Musik, sehr guten Stimmen, außergewöhnlich guten Arrangements, motivierter Präsentation und einer Menge Spaß. Dass es nur gecoverte Sachen gab, hat mich überhaupt nicht gestört, denn sie waren sehr gut interpretiert und perfekt auf die Gruppe umgearbeitet. Hin und wieder war die Leadstimme etwas zu leise, oder eine Stimme hing mal kurzzeitig leicht neben der Spur, wie es ursprünglich wohl nicht gedacht war. Das fand ich aber auch nicht schlimm, denn das konnte ich bei den engen Harmonien und so vielen Wechseln in den Arrangements gerne mal in Kauf nehmen. Besser, als supersauber, aber superlangweilig einfache Sätze anzuhören. An der Dynamik könnte die Gruppe vielleicht noch etwas arbeiten, denn die Lautstärke variierte nicht sehr stark, aber sie wollten sich ja sowieso noch verbessern.

Eigentlich fehlte am Abend nur ein P, sonst nichts.
 

Hätte ich jetzt eine Firmenfeier, oder einen großen Geburtstag, der unbedingt noch einen Show-Act bräuchte, hätte ich die Gruppe sofort engagiert. Habe ich aber nicht. Also weder die Gruppe engagiert, noch eine Feier. Schade, eigentlich. Ich könnte das aber anderen Leuten, die eine gute Unterhaltungs-Einlage, oder einen schönen Konzertabend suchen, nur empfehlen!

zurück zu So war’s