Wuhlheide, Berlin 7.8.2004
Der Soundcheck war vorbei und die ersten Besucher betraten langsam und gemächlich die Anlage und suchten sich in aller Ruhe Plätze aus. Es war viel zu heiß, um schnell zu laufen.
Außerdem gab es massig Platz im weiten Halbrund der Sitzplätze. “Also, ick steh mir nich die Beene in’n Bauch!” entschied eine Dame, die eindeutig aus Berlin kam und sich auf eine der
Bänke hockte. So wie sie dachten wohl die meisten Zuschauer, denn nur wenige begaben sich auf die Wiese vor der Bühne. Das lag vielleicht auch daran, dass der Großteil der Besucher
schon zwanzig Jahre vorher diese Musik gehört hatte und entsprechend älter und gemütlicher geworden war. Vor allem einige Männer zogen es vor sitzend in der Sonne zu hocken und dabei
viele Erfrischungsbiere zu kippen. Die Ordner patroullierten über die Wege, sollten ein Gefühl von Sicherheit und Organisiertheit vermitteln, gaben mir aber eher ein Gefühl von
Machtdemonstration und Überwachung. Dabei war das Publikum wirklich harmlos und saß völlig entspannt wie bei einem Familienpicknick herum.
Um 16 Uhr waren die Sitzplätze recht gut gefüllt, während es auf der Wiese immer noch viel Platz gab. Zwei Moderatoren des Spreeradios, das diese Veranstaltung organisiert hatte,
betätigten sich als Animateure und waren entsetzlich nervig. Da hätte ich lieber nur dem stummen Umbau auf der Bühne zugesehen, als gezwungene Pärchenknutschwettbewerbe auf der Bühnenleinwand zu erleben.
Danach ging es Schlag auf Schlag weiter. Fünf Künstler, bzw. Gruppen gaben ungefähr einstündige Konzerte, waren alle deutschsprachig und hatten trotzdem überhaupt nichts mit
seichtem, deutschen Schlager und heiler Welt zu tun. Sie boten zum größten Teil anspruchsvolle Texte, waren engagiert, temperamentvoll und mit Energie und Spaß bei der Sache. Es fetzte
richtig los, und wer eventuell erwartet hatte, dass hier frühere Topstars mal eben ein paar ihrer Hits runterträllern würden, sah sich schwer getäuscht. Es war sehr gu Mit Pe Werner
ging es los, ihre klare Stimme war mal sanft, mal wunderbar jazzig und dann wieder unglaublich laut und kräftig. Vor der Bühne fanden sich einige Zuschauer mehr ein, die die
Texte mitsangen und dazu tanzten. Die Stimmung im Publikum war se
Purple war danach etwas außer Atem, denn gleichzeitig singen, springen, laufen, lachen, Mundharmonika spielen und mit Pe turteln war recht energieverbrauchend. Kommentar meines lachenden, begeisterten Mannes: “Was ist schon ein Duett Robbie Williams /Nicole Kidman gegen Purple Schulz und Pe Werner?”, und er meinte es nicht witzig. Heinz Rudolf Kunze war der nächste und da konnten auffällig viele Frauen sehr textsicher mitsingen. Der Sound war ziemlich gut auf dem Platz und es machte mir Spaß ihm bei seinen oft sehr anspruchsvollen Texten zuzuhören. Wirklich klasse! Ich war selber erstaunt wie viele Stücke ich kannte, was mir aber nicht nur bei seinem Auftritt so ging. D  en ganzen Abend lang
dachte ich immer wieder freudig: “Ach, ja!” und erlebte ein Stück, das mir eigentlich völlig vertraut, aber seit Jahren schon in irgendwelche Tiefen abgetaucht war. Die Künstler und ihre
Lieder gehörten früher zu meinem Leben dazu, weil sie ständig im Radio liefen und oft konnte ich sogar jetzt in der Wuhlheide den Refrain noch ziemlich sicher mitsingen. Hach, war irgendwie
schön, dass es sie alle noch gab!Die Prinzen habe ich leider verpasst, so dass ich nicht viel zu ihrem Auftritt sagen kann. Es hätte mich sehr interessiert, aber ich stand in dieser Zeit mit einem dringend benötigten, kalten Getränk in der Hand im Bereich hinter der Bühne und unterhielt mich lieber mit zwei sehr lieben Menschen. Man muss Prioritäten setzen. (Natürlich war ich damit ungefähr so blöd, wie einige andere Leute, über die ich mich vorher aufgeregt habe, weil sie tolle Gruppen verpassen, aber ich habe immerhin nicht mit meinem Gerede gestört und stand nicht 10 Meter vom Geschehen entfernt ohne hinzusehen.) Allerdings hörte ich das laute Mitsingen des Publikums durch die heiße Luft bis zu mir schwappen und die Stimmung schien ausgezeichnet zu sein. War also wahrscheinlich ein ebenfalls toller Auftritt. Nebenbei gesagt: Kurz vorher gingen zwei der Prinzen ganz nah an mir vorbei und ich konnte genau erkennen, dass sie keine Krönchen auf dem Kopf tragen! Nicht, dass ich das erwartet hätte, aber ich registrierte diese Tatsache eben sofort. Am Schluß des langen Tages war es schon dunkel und Klaus Lage hatte den letzten Auftritt. Einige blaue und rote Leuchtsticks funkelten in den Rängen, die Scheinwerfer warfen Lichtkegel, die Luft war immer noch warm und es war einfach ein traumhaft schöner Sommer. Ich bewegte mich zur rockigen Musik, sang mit, wo ich konnte und fand es klasse. Was für ein schöner, langer Abend mit toller Musik! Nur auf die Moderatoren mit ihren launigen Späßchen hätte ich gut verzichten können. Bei der Gruppe Funke kann es noch was werden mit der Karriere, es hörte sich vielversprechend an, zu den Prinzen kann ich ja nicht viel sagen, weil ich sie verpasst habe, aber bei allen anderen kann ich den Besuch eines Live-Konzertes nur empfehlen. Und man muss kein sogenannter Fan des jeweiligen Künstlers sein, um zu erkennen, was richtig gut gemachte Musik ist und einen Abend lang wirklich Freude daran zu haben. Mir hat gefallen mit wieviel Engagement alle auf der Bühne standen und was für eine qualitativ hochwertige Livemusik da gemacht wurde. Davon träumen die meisten der heutigen, fast schon inflationär vorhandenen ‘Superstars’ nur. Was in Wuhlheide live gebracht wurde, war für jeden, der nicht nur leichtbekleidete Herumhopser und tonumkreisende Jodler haben will, sondern handgemachte, richtig gute Musik liebt, ein Vergnügen. Fazit: Es gibt großartige Musiker, die nicht täglich im Radio laufen, aber immer noch Konzerte geben! Damit es einfacher ist sich zu informieren: www.pewerner.dewww.purpleschulz.de www.heinzrudolfkunze.dewww.klauslage.dewww.dieprinzen.de www.funkeswelt.de |
MADE IN GERMANY
Ich war froh, als es mit der Band Funke losging, die der
Sieger eines Wettbewerbes des Spreeradios war und sich mit einem Kurzprogramm vorstellte. Nachdem mit lautem Knall ein Verstärker exlodiert war oder sich irgendwie aus anderen
Gründen hatte bemerkbar machen wollen, brach die Übertragung erstmal komplett ab, konnte aber sehr schnell wieder hergestellt werden. Der Sänger und Gründer Henry Funke hatte eine sehr
gute, eigenständige und wiedererkennbare Stimme, Musik und Texte waren gut und alles zusammen sehr vielversprechend. Es sollte mich wundern, wenn man von ihnen nicht noch mehr
hören würde. Mir hat es sehr gefallen und ich bin gespannt auf weitere Sachen. Das Publikum klatschte nach den Nummern sehr erfreut für die Newcomer und war gut gelaunt. 
t gemachte Musik und ich war richtig sauer, wenn ich daran dachte,
was für ein Zeug oft im Radio lief, während für die meisten dieser Sachen angeblich kein Platz war. Was für ein musikalisches Potential wurde damit einfach übersehen! 
hr gut, allerdings gab es viele Besucher, die nur auf ihren persönlichen
Liebling warteten und offensichtlich kein Interesse an den anderen Künstlern hatten. Sie unterhielten sich laut, machten manchmal blöde Kommentare und störten damit Leute, die zuhören
wollten. Ich fand es total schade, dass sie nur hin und wieder mal in den Bann der Musik gezogen wurden und dann ganz ruhig wurden, und ansonsten demonstrativ auf einen anderen
Auftritt warteten. Das war nicht nur bei Pe Werner so, sondern zog sich durch den ganzen Abend. Einerseits also ein sehr gut gelauntes Publikum, andererseits zu großen Teilen
unaufmerksam und in meinen Augen so blöde wirklich tolle Auftritte quatschend zu verpassen. Sehr, sehr schade!
Purple Schulz war mit Band da und nach der schlimmen Anmoderation, bei der einer der Radioleute Textzeilen von ‘Sehnsucht’ runterleierte, so dass es mir fast wehtat und ich
ihn weit weg wünschte, ging es temperamentvoll ab. Das Publikum ging gut mit (also die, die es wollten) und zu meiner Freude standen nicht nur die altersmäßigen Originalfans singend und
tanzend auf der Wiese, sondern sogar junge Frauen um die zwanzig, die eindeutig nicht mehr so klein waren, dass sie von ihren Eltern mitgeschleppt worden waren. Und bei ‘Sehnsucht’,
beim lauten Schrei “Ich will raus!” wurde auf einmal auch die bis dahin prollige Störgruppe neben mir ganz still und guckte bis zum Ende des Auftrittes ruhig zu. Wunderbar! 
