Tillmann Courth
Deutsch, aber glücklich
8.2.2007, Wohnzimmertheater, Köln

Eigentlich sah er ein bißchen aus wie der Bruder von Ilja Richter. Eine lange, schmale Erscheinung, die durch die streckenden Längststreifen des Anzuges noch länger und schmaler erschien, dazu eine Art Korrektheit, Distanz und Eleganz im Auftreten, die mir auch bei Ilja Richter immer aufgefallen war. Und wie der, wirkte auch Tillmann Courth intelligent, humorvoll und dann unerwartet locker und lebendig, wenn er redete.

Ich weiß jetzt nicht, ob ihn ein Vergleich mit Ilja Richter stört oder nervt oder ob er ihm völlig neu ist, und es tut auch nichts zur Sache. Ich hatte zu Beginn des Berichtes nur so selbstverständlich den Gedanken an Ilja Richter im Kopf, dass ich damit einfach anfangen musste.

Im kleinen Kölner Wohnzimmertheater ging es gemütlich und privat zu, und ich fühlte mich fast wirklich wie in einem mit Sesseln zugestellten, großen Wohnraum, der zufällig an der Stirnseite eine kleine Bühne und im hinteren Teil eine Theke hatte. Dafür allerdings keine Fenster. Neben mir dampfte der frisch aufgebrühte Earl Grey Tea in der Bechertasse, und der gepolsterte Sessel war auch bequem.

Tillmann Courth kam durch den Mittelgang nach vorne auf die Bühne und wirkte aktiv und spontan. Er begrüßte die “Damen, Herren und Kinder” und erklärte, dass mit den “Kindern” seine kleine Tochter gemeint sei, die in der letzten Reihe saß. “Aber gleich, Fräulein, geht’s ins Bett!” rief er ihr mahnend zu, und von hinten protestierte eine Kinderstimme modulierend: “Mh-mh!” Das war ein witziger Auftakt, auch wenn der gar nicht zum üblichen Kabarett-Programm gehörte.

Die Stimmung im Wohnzimmertheater war entspannt und wurde noch entspannter, als sich eine Zuschauergruppe nach grinsendem Zögern als Gruppe von Betriebsräten outete. Tillmann Courth freute sich, weil gerade erst die Schlagzeilen über Herrn Hartz, Veruntreuung und der Begünstigung des Betriebsrates in der VW-Affäre aktuell waren und die Besucher damit gut ins Programm passten.

Von Überlegungen zu den Begriffen “Einigkeit, Recht und Freiheit”, ging es über Fernseh-Soaps, den Papst, die NPD, zur Schönheitspflege für Männer. Es wurde nach “Glück” gegoogelt, deutsche Nachwuchs-Politiker wurden anhand ihrer eigenen Zitate analysiert und es ging um Hartz IV und Pferdeabschwitzdecken bei Aldi. Schnell und kurzweilig sprang Tillmann Courth von einem Thema zum anderen, verknüpfte, überspitzte und kommentierte witzig und scharfzüngig.


Auf Zwischenrufe und Einwürfe aus dem Publikum reagierte er sofort, und er schien sich regelrecht darüber zu freuen, wenn die Zuschauer aktiv waren. Es machte viel Spaß seinen schnellen Gedanken zu folgen und seine oft entblößenden Kommentare zu genießen, die genau auf den Punkt trafen. Immer wieder kam er mit kurzen Stichworten auf vorangegangene Themen zurück, so dass kurze Bemerkungen oft schon einen Lacher auslösten, weil ein Bezug gefunden war. Außerdem zeigte er sich aktuell informiert und baute Bemerkungen vom Wetter bis zur Tagespolitik ein.

Die Betriebsräte im Wohnzimmertheater bekamen immer wieder spontane Äußerungen zu ihrer beruflichen Tätigkeit zu hören. Es war ein wenig riskant, weil Tillmann Courth nicht wissen konnte, wie sie reagierten, aber sie hatten gute Laune und lachten auch über Anspielungen vergnügt. Das lag vermutlich auch daran, dass der Akteur auf der Bühne immer kultiviert blieb und seine nadelspitzen Pfeile mit einem freundlichen Grinsen im Gesicht abschoß. Ihm ging es nicht darum einzelne Leute oder ganze Gruppen plump zu beleidigen, es reichte ihm die Schwachstellen deutlich zu zeigen und witzig und entlarvend zu kommentieren.



Wenn Angela Merkel von “der Politik der kleinen Schritte sprach”, kam er sofort auf den “Treppenlift”, bei “Hartz IV” und “Reitzubehör bei Aldi” überlegte er, ob Menschen, die jeden Job annehmen müssen, ins Spargelfeld REITEN, und außerdem stand er sowieso nur auf der Bühne, weil er von seiner Arbeitsagentur “entweder Wohnzimmertheater oder Spargelfeld” angeboten bekommen hätte. Zum Glück hatte er das Theater gewählt, denn so hatten die Zuschauer einen schnellen, kurzweiligen, intelligenten Abend, an dem sie oft scharf Luft holen mussten. Entweder, weil die Bemerkung von Tillmann Courth so treffend und scharf, manchmal sogar hart war, oder weil der originale Sachverhalt so unglaublich dämlich war.

Klasse! Mir hat’s viel Spaß gemacht!



Nachtrag: Der Begriff “modulierende Kinderstimme” ist eigentlich gar nicht in meinem Vokabular. Es ist nur total schwer kurz und knapp zu beschreiben, wie es klingt, wenn eine Kinderstimme verneinend “Mh-mh!” macht und dabei den ersten Ton höher als den zweiten wählt. Die Stimme moduliert, betont anders und gibt durch reine Lautäußerungen zu verstehen, was gemeint ist. In diesem Fall auf die Aufforderung des Vaters “Aber gleich, Fräulein, geht’s ins Bett!” den zu reinen Lautäußerungen verkürzten Antwortsatz: “Das kannste knicken, Papa!”

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