ROMEO UND JULIA
Frei nach William Shakespeare

N.N.-Theater
Irene Schwarz, Christine Per,
Didi Jünemann, Oliver Schnelker,
Bernd Kaftan

30.8.2008, Marktplatz
Erftstadt-Lechenich


Sommerwetter. Das war für diesen Sommer nicht die Regel, aber immer, wenn ich bei OpenAir Veranstaltungen war, klappte es. Ich sollte mich für solche Gelegenheiten mieten lassen.

Auf dem Marktplatz in Erftstadt-Lechenich gab es gute Laune machendes Picknickwetter und einige der Besucher hatten tatsächlich Picknickkörbe dabei und schmausten, auf Bierbänken sitzend, Kartoffelsalat, belegte Brötchen und Frikadellen. Die einfache Bühne, die aus einer Spielfläche und einem doppeletagigen Hintergrund mit jeweils drei Torbögen bestand, war mitten auf dem Platz aufgebaut. Daneben saßen die Schauspieler gut sichtbar unter freiem Himmel an einem Tisch und schminkten sich. Es war noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Vorstellungsbeginn. Eine uniformierte Spielmannskapelle namens “Gut Klang”, hatte sich neben der Bühne aufgebaut und schmetterte als Anfangslied ihres Vorprogrammes den Radetzki- Marsch. Das war so gar nicht meine Musik.

Trotzdem fand ich die Zusammenstellung ziemlich lustig, freute mich über das gute Wetter und auf das N.N.-Theater, das ich schon mehrfach mit den “Nibelungen” gesehen hatte und genoß die lockere, freudige Atmosphäre. Allerdings bekam die Kapelle nach meinen anfänglich spöttisch verdrehten Augen dann doch noch meine warme Sympathie, denn sie war für eine Spielmannskappelle gar nicht so schlecht und wagte sich auch an anspruchsvollere Stücke. “How deep is your love” war eines, das trotz einiger quietschender Flötentöne ganz zart und sehr romantisch klang und perfekt zur Geschichte von Romeo und Julia passte.

Aber dann ging es los. Die fünf Schauspieler erschienen in einer neutralen Unterkleidung, noch völlig unkostümiert, auf der Bühne und sagten gemeinsam einleitende Worte zu Romeo und Julia. Ich liebte diese Art der Vorstellung und die Atmosphäre von Gauklertheater, die typisch für das N.N.-Theater war. So muss es früher gewesen sein, wenn eine umherziehende Theatergruppe Halt auf einem Marktplatz machte, die einfache Bühne aufbaute und der Dorfbevölkerung klassisches Theater, Dramen oder Komödien vorspielte. Wenige Schauspieler, einfache Requisiten, aber große Kreativität, viel Tempo, Witz und die Bereitschaft in Sekundenschnelle in andere Kostüme und Rollen zu schlüpfen. Theater pur.


Erstaunlicherweise spielte das Stück zwar in der Vergangenheit, aber nicht wirklich weit weg, denn es führte in das Italien der 50er-Jahre. Eine deutsche Touristengruppe ließ sich gerade von einem Fremdenführer Verona und die Oper zeigen, ...



... in der am Abend die große Maria Callas “Tosca” singen würde.




Die Familie Capulet (rot gekleidet) lebte ebenfalls in Verona und gehörte zur Proletarierschicht. Sie veranstaltete Demonstrationen, kämpfte gegen Kapitalisten, Faschisten und die katholische Kirche. Zu ihren Gegnern gehörte die katholische Kapitalistenfamilie Montague (blau gekleidet).


Nachdem es in der Vergangenheit Kämpfe mit Todesfällen gegeben hatte, gab es eine erbitterte Feindschaft zwischen den beiden Familien. Bei einem Fest lernen sich die rote Julia und der blaue Romeo zufällig kennen und verlieben sich ineinander.







Sie lassen sich von einem Pater heimlich trauen ...



... doch Julias Vater, der davon nichts ahnt, will Julia mit einem Parteigenossen aus Paris verheiraten.



Bei einem tragischen Zwischenfall gibt es Tote auf beiden Seiten.



Romeo muss fliehen. Er flüchtet nach Deutschland, wo er als Eisverkäufer in einer Eisdiele arbeitet.



Die verzweifelte Julia sucht vor ihrer Zwangsheirat mit dem Genossen Hilfe bei dem Pater, der sie mit Romeo verheiratet hat. Er gibt ihr eine Flüssigkeit, die sie für 42 Stunden in einen todesähnlichen Schlaf versetzen und damit eine erneute Heirat verhindern kann.


Kurz vor der Trauung trinkt Julia die Flüssigkeit. Romeo erfährt per Telegramm, dass Julia gestorben ist und kehrt sofort nach Verona zurück. Er sucht die Gruft auf, in der sie, noch im Brautgewand, liegt.





Erschüttert findet er ihre Leiche und nimmt Gift, weil er ohne Julia nicht leben will.


Julia wacht nach Ablauf ihres scheinbaren Todes auf, entdeckt mit Entsetzen den toten Romeo neben sich und ersticht sich.




Wunderbar, wie das N.N.-Theater den Weg von sehr lustigen, lauten Szenen und immer wieder witzigen Anspielungen bis zum bewegenden, ganz ruhigen Ende schaffte. Konnten die Zuschauer vorher noch über überspitzt gespielte Charaktere lachen, Messerkämpfe mit Kleiderbügeln und die Fahrt des Eisverkäufers Romeo mit dem Fahrrad über den Brenner erleben, wurden sie in der letzten Szene ganz still. Es war sehr ergreifend gespielt und überhaupt nicht mehr lustig. Wunderschön und ganz traurig. Ich war völlig fasziniert, dass eine Szene, die eigentlich liegend, unten in einer Gruft spielte, genauso ergreifend stehend, in der ersten Bühnenetage stattfinden konnte. Dass danach noch einmal die lärmenden deutschen Touristen aus der Oper von Verona kamen, lockerte die Atmosphäre auf und schloß den Kreis zum Anfang, aber mir hätte der berührende Schluß mit den beiden toten Liebenden, die gemeinsam in der Gruft lagen, - oder standen - eigentlich auch als Abschluß gefallen.

Es gab viel Applaus für die Darsteller, der gleichzeitig Applaus für das Bühnenbild, die farblich klar aufgeteilten Kostüme, die Regie, das schnelle Timing und die perfekt passende Livemusik war.


Hätte es einen Vorhang gegeben, hätte es sechs Vorhänge gegeben. Ohne Vorhang gab es sechs jubelumbrauste Verbeugungen. Die Schauspieler freuten sich sichtlich über das begeisterte Publikum und über den Erfolg. Was für ein schöner Abend!

Ein immer wieder sehr zu empfehlenswertes N.N.-Theater!    
www.nn-theater.de
 

Zu So war’s