Gayle Tufts & Rainer Bielfeldt
The wahre Wahrheit   
27.6.2003,  Limelight, Köln

Drei Dinge habe ich an diesem Abend gelernt:
- Tufts wird nur mit einem ‘f’ geschrieben
- Rainer Bielfeldt fehlt das ‘e’ im Biel-e-feld
- Es ist alles möglich, lebe deinen Traum!

Seit Dezember 2001 gab es von Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt das Programm “The wahre Wahrheit”, und am Ende der Laufzeit wurde es im Kölner Limelight vom WDR aufgezeichnet. Ich wollte schon seit langer Zeit mal zu einer Show mit Gayle Tufts und war froh, es gerade noch geschafft zu haben. Im Fernsehen hatte ich hin und wieder witzige Kurzauftritte von ihr gesehen, und als sie bei einer Diskussionsrunde sehr temperamentvoll und entschieden, aber mit Freundlichkeit und Humor ihre Meinung zu Amerika und dem Irak vertreten hatte, fand ich sie noch viel sympathischer. Außerdem musste ich unbedingt wissen, was an der Aussage: “Der Rainer Bielfeld ist sooo süß! Schade, dass der schwul ist”, dran war. (Diese Aussage kam natürlich nur von weiblichen Zuschauern, männliche sahen das vielleicht positiver.)

Das Kölner Limelight hatte immer noch den plüschig-roten Charme eines alten Casinos und genau die richtige Atmosphäre für Show, Glamour und gut gemachte Unterhaltung. Wir waren früh genug da und setzten uns an einen netten Tisch in der zweiten Reihe. Gayle Tufts kam auf die Bühne und machte den Warm-up selber. Sie trug einen hellblauen Satin-Hausmantel, der wirklich kein Gramm geschickt überspielte, sondern eng anliegend und mit einem Gürtel zusammengezogen wie eine zweite Haut wirkte. In hellblau, glänzend. Wie beruhigend. Da stand ein normaler Mensch, der wahrscheinlich alle Diäten ausprobiert hatte und vermittelte: “Ich würde gerne abnehmen, aber es klappt nicht. Na, und?” Sie strahlte volle Energie, Lebensfreude und ein wenig aufgedrehte Nervosität aus, als sie das Publikum sehr herzlich begrüßte. “Have fun, drink a lot!” und “Please, don’t be verklemmt because of Fernsehen!” Das Publikum reagierte locker und war gut gelaunt, Gayle Tufts quoll über vor Temperament, und einer guten Show schien nichts im Wege zu stehen.


Das Programm begann, Rainer Bielfeldt spielte am Flügel und Gayle sang zwischen viel Satin in hellblau, rosa und orange so absolutely amerikanisch, dass ich total begeistert war. Es muß etwas mit der Art der Schlaflieder zu tun haben, die man als Kind zu hören bekommt, dass in den Ländern ein so unterschiedliches Musikgefühl entstehen kann. Wer immer “Guten Abend, gut’ Nacht” hörte, singt später anders, als wenn er mit “Somewhere over the rainbow” ins Traumland glitt. Gayle Tufts hatte den amerikanischen Gesang voll drauf. Prall, swingend und so wie in den alten Musicals, die ich liebe. Rainer Bielfeldt begleitete sie supergut. Was der für Harmonien spielte! Toll! Sehr amerikanisch und wirklich erstklassig arrangiert. Hin und wieder setzte er zu einer zweiten Stimme an oder sang auch mal eine Passage alleine, und auch das war immer perfekt passend und sehr angenehm.

Außerdem sah er wirklich total süß aus. Anders, als ich es mir vorgestellt hatte, denn irgendwie hatte ich bei den Schwärmereien über ihn immer an einen supergut aussehenden Modeltypen gedacht, der braungebrannt und mit gestähltem Körper am Klavier sitzen und mit strahlend weißen Zähnen, seiner Wirkung bewußt, charmant ins Publikum grinsen würde. Rainer Bielfeldt war anders. Schmal, zurückhaltend, ruhig, völlig unspektakulär und einfach totaaaaal süß. Wenn er kurz und fast verlegen ins Publikum grinste, hatte er niedliche Lachfalten, und über Gayle und ihre deutsch-englischen Wortkombinationen musste er manchmal ganz spontan lachen. Sein Job, das Klavierspielen und die passend eingeworfenen Bemerkungen, schienen ihm richtig Spaß zu machen und diese Freude ging auf das Publikum über. Sehr, sehr nett und einfach süß. Dass er schwul war, war immer wieder Thema in kleinen Bemerkungen und wurde locker und lässig behandelt.

Im Programm ging es unter anderem um Musicals und die Castings dazu. Im Gegensatz zu manchen anderen Leuten finde ich es überhaupt nicht verwunderlich, wenn bei Musicals plötzlich Orchester spielen, Springbrunnen aus dem Boden kommen und 60 Mädchen steppend ins Zimmer springen. Ich liebe sowas. Und Gayle Tufts auch, wie ich sofort bemerkte. Ich konnte mir vorstellen, wie sie als kleines Mädchen schon vor dem Spiegel gesungen und von einer Karriere auf der Showbühne geträumt hatte. “Mein Kindheitstraum came true.” Jetzt spielte und sang sie, tanzte über die Bühne, und ich dachte sofort an Judy Garland in “A star is born”. Wow! Ein Mann am Flügel und eine amerikanische Sängerin und drei kurzzeitig aufgetauchte Gasttänzer machten perfekte Musicalatmosphäre.

Es war mitreißend, fetzig und voll amerikanisch. Bisher hatte ich Gayle Tufts meistens mit Textbeiträgen in ihrem originellen Dinglish, einer gewagten Mischung aus Deutsch und Englisch, gesehen und war nun erstaunt, wie musikalisch das Programm war.

Gleichzeitig wurde mir aber auch klar, warum sie erfolgreich war. Sie hatte wirklich eine Marktlücke erwischt. So etwas gab es bisher noch nicht. Eine amerikanische Show-Entertainerin, die mit Herz und Liebe Show spielte, dabei aber “Gayle aus Amerika” blieb, eine Frau, die mit den Tücken der deutschen Sprache kämpfte und mit großen Augen die Welt um sich herum beobachtete. Mit viel Humor und der Fähigkeit über sich selbst zu lachen kommentierte sie, ohne Rücksicht auf sprachliche Korrektheit, aber darum manchmal besonders treffend, die Eigenarten mancher Leute, das Leben in Berlin und die vielfältigen Unterschiede zwischen Amerika und Deutschland. Sie war dabei nicht immer leicht zu verstehen. Der rasante Wechsel zwischen zwei Sprachen mehrfach in einem Satz, und das Tempo, mit dem sie aus Gayle heraussprudelten, forderten schon die ganze Konzentration. Aber es lohnte sich. Seltsamerweise war ich VOR der Show müde, in der Pause und sofort danach auch, aber überhaupt nicht, während Gayle auf der Bühne stand. Sie war in ihrer gutgelaunten Vitalität unglaublich mitreißend und ich hatte extrem viel Spaß ihr zuzusehen.

Es gab ein paar Unterbrechungen, in denen die Maskenbildnerin den glänzenden Schweiß von den Gesichtern tupfen musste (“Make up, bitte, ich schmilze schon wieder!”), aber ansonsten ging die Show mit Spaß und guter Laune über die Bühne. Im Publikum saß Pe Werner, die von Gayle herzlich begrüßt wurde, und ich erfuhr nebenbei was Gayle Tufts, Pe Werner und Rüdiger Dewitz (mein Mann) gemeinsam haben: Sie sind alle drei Jahrgang 1960, ein besonders guter Jahrgang, wie Gayle betonte. Jaja, so was höre ich von meinem Mann auch immer.

Um die Maskenbildnerin zu fordern, schlüpfte Gayle für ein Berlin-Lied in ein dickes Bärenfell und sah darin plötzlich ganz schlank aus! Das weite Fell schlackerte um ihren Körper, auf dem Kopf saß eine Fellkappe, die großen Glitzerohrringe blinkten an den Rändern hervor, und sie sah total süß aus. Ich überlegte spontan, mir auch ein Bärenfell zuzulegen.

Die mit Augenzwinkern gezeigten Schwächen, die so schön erkennbare “Normalität” von Gayle Tufts zeigte sich zum Glück nicht im Grundkonzept ihrer Show. Da galt das amerikanische Qualitätsprinzip. Lied- und Wortbeiträge wechselten sich sehr gut ab, es gab viel Witziges, dazwischen auch mal Besinnliches, und die gesungene und gespielte Musik war einfach gekonnt und toll. Singen konnte sie wirklich klasse, und mit Rainer Bielfeldt als Arrangeur und Begleiter hatte sie die perfekte Ergänzung.

Ich liebe amerikanische Musicals, ich liebe die amerikanische Swingmusik der 40er Jahre, da musste ich auch Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt mit ihrer Show lieben! Ich fand es klasse und war von Gayle Tufts und ihrer positiven, offen Art sehr begeistert. Und Rainer Bielfeldt war ja sowieso total süß. Am Ende der Aufzeichnung gab es eine superlange Verabschiedungsnummer, bei der sich unter dem Motto: “Shake it!” alle Darsteller improvisierend verabschiedeten. Sie hatten nach der gelungenen Show plötzlich ganz viel Zeit und irgendwie noch keine Lust den Abend zu beenden. Um halb 9 hatte es angefangen, um halb 12 war es (mit einer längeren Pause dazwischen) zu Ende. Volles Programm, gute Laune, ein paar witzige, aufnahmebedingte Unterbrechungen - es war ein sehr lohnenswerter Abend!

Sehr empfehlenswert!
(Aber nur für Leute, die etwas Englisch verstehen!)


Nebenbei hat Gayle Tufts gezeigt, dass man seinen Traum verwirklichen kann. Ein kleines amerikanisches Mädchen aus einer Arbeiterstadt macht ein paar Umwege und landet am Ende dort, wo es hin wollte: Auf der Bühne. Dass es nicht die Bühne in New York ist, vor der die Leute begeistert jubeln, zeigt, dass sich Träume auch so erfüllen können, wie man es im Traum nicht gedacht hätte.
Mach es wie Gayle: Lebe deinen Traum!
 

Infos auch bei
www.gayle-tufts.de
www.bielfeldt-music.de

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