5.9.2002, WDR, Köln-Bocklemünd        B. trifft...
                             Klaus Hoffmann

Ankunft Donnerstag, um 17 Uhr. Wer hat um 17 Uhr Zeit bei einer Fernseh-Aufzeichnung zu sein?? Wir eigentlich nicht, aber Rüdiger hetzte durch den Tag, damit wir rechtzeitig am WDR-Gelände sein konnten. Und da standen wir dann und warteten erstmal. Das Gelände, auf dem auch die “Lindenstrasse” gedreht wird, hatten wir früher schon manchmal besucht, und wir erinnerten uns sofort an die Story mit Inge Meisel: Damals war Paul McCartney Gast bei “Mensch Meier”, und um ihn in der Sendung zu sehen, warteten wir mit sehr vielen Fans vor dem Tor. Ein Wagen fuhr vor, in dem Inge Meisel, einer der anderen Gäste bei Biolek, saß. Sie erblickte die vielen Leute und hielt sich sofort ganz starmäßig eine Zeitung vor das Gesicht, während der Wagen langsam an den laut lachenden McCartney-Fans vorbeifuhr. Vermutlich glaubt sie bis heute, dass alle wegen ihr dort standen!   

Während wir noch über die Geschichte grinsten, fuhr ganz in echt ein Wagen langsam an uns vorbei und darin saß Klaus Hoffmann, allerdings ohne Zeitung. Hey! Wenn das einer der Gäste von Bettina Böttinger wäre, würden wir uns wirklich freuen! Bis es soweit war, mussten wir uns aber zunächst auf einer Liste abhaken lassen, eine andere ausfüllen und uns von wichtig guckenden Security-Leuten anstarren lassen. Oh, ich liebe das! Völlig harmloses Publikum bei einer netten, kleinen Talkshow am Donnerstag-Nachmittag so anzusehen, als ob gleich 10 der weltgrößten Superstars im Studio wären, und wir alle nur vorhätten, ihnen kreischend die Kleider vom Leib zu reißen! (Ich reiß nicht mal den Leuten die Kleider runter, bei denen ich das ganz nett fände!) Es gab sogar Taschenkontrollen! Ich öffnete den Reißverschluß meiner großen Tasche und ließ den dunklen, forschenden Röntgenblick der Security über meine Taschentücher und die Niveacremedose kreisen. Ein knappes Kopfnicken signalisierte, dass ich passieren durfte, und sie hatten nicht mal gemerkt, dass ich noch drei weitere Seitenfächer hatte, in denen sich sogar ein dicker Fotoapparat hätte verstecken können.

Im richtigen Gebäude angekommen, mußten wir schon wieder warten. Och, nee. Da halfen dann auch die Freigetränke, liebevoll in Plastikbechern drapiert, nicht mehr. Wir standen wieder eine halbe Stunde blöd rum und waren ziemlich genervt. Die Security-Leute beobachteten uns mit finsterem Blick, wir fühlten uns nicht nett, sondern wieder mal wie Kamerafutter behandelt und beschlossen, dass wir in nächster Zeit nicht mehr zu Fernsehaufzeichnungen gehen wollten. Ich möchte interessante Sachen sehen und neue Dinge kennenlernen, aber nicht stundenlang warten, als ob ich nichts Besseres zu tun hätte, und mich vor allem nicht von überheblich guckenden, sich unglaublich wichtig fühlenden Typen bewachen lassen, die so tun, als würde ich ohne drohende Blicke gleich eine Straftat begehen. Ehrlich gesagt hatte ich sowas bisher nur bei privaten Sendern, aber nicht beim biederen WDR erlebt. Leute, da müsst ihr euch nicht wundern, wenn irgendwann nur noch das Publikum da steht, das ihr jetzt schon vermutet! Meine Theorie über Securityleute festigte sich: Je weniger eigene Persönlichkeit und je weniger Intelligenz, desto wichtiger das Auftreten und desto grimmiger der Blick. Hey, das kann man souverän lächelnd und freundlich viel besser machen!

Als dann die Türen zum Studio aufgingen, wurde es ganz albern. Drei Leute im schwarzen Anzug kommandierten ernst: “Die nächsten vier!” und hätten sich wahrscheinlich sofort in den Weg geworfen, wenn einer zuviel gegangen wäre. Leider stauten sich die Leute etwa 10 Meter weiter wieder, weil es nicht so schnell weiterging, wie die nächsten Leute von hinten kamen. Wir grinsten und nahmen es als Comedy-Show, denn es war so blöd, dass es mir schon fast wieder gefiel. Die nächste Steigerung kam, als dannn tatsächlich ein Bestimmer die Plätze in den beiden langen Stuhlreihen zuwies. Keine Ahnung, wonach er das entschied, aber er guckte die Zuschauer kurz an und befahl:”Sie hier auf die beiden Plätze!” “Sie auf den Platz dort hinten!” Ich sagte freundlich, aber bestimmt: “Wir würden gerne hinten sitzen.” und bekam sofort zwei Plätze vorne zugewiesen. Lachend setzten wir uns, es war unglaublich komisch, was dort in aller Ernsthaftigkeit ablief. Als der Platzbestimmer sein wartendes Zuschauermaterial verteilt hatte, rief er nach hinten: “Kannst du jetzt durchschieben!” und meinte damit, dass der nächste Pulk bis zum Studio kommen durfte.

Nach welchen Gesichtspunkten verteilte er die Leute?? Warum mussten wir vorne sitzen? Saßen dort die Alten, die Jungen, die Blöden, oder mischte er alles nach optischen Gesichtsgründen? Gut, dass wir wenigstens geputzte Schuhe anhatten. Als der Bestimmer unsere Reihe anwies: ”Rücken Sie bitte alle einen nach rechts!”, standen wir alle grinsend auf und rückten brav einen Platz weiter. Rüdiger machte seine Bemerkungen: ”Würden Sie dort vorne bitte das Hemd mit dieser Dame wechseln!” und ich konnte kaum glauben, dass das alles bei “B. trifft...” geschah. Hallo? Ich war Zuschauergast bei einer seriösen, sehr gut gemachten Sendung, und nicht in einer Billig-Talkshow, bei der auf niedrigstem Niveau die Fetzen flogen! Nee, nee, das war wirklich das letzte Mal, dass ich zu sowas ging!

Trotzdem guckte ich mich interessiert im Studio um und wies Rüdiger darauf hin, dass der Boden in echt ganz alt und abgelaufen aussah, auf dem Monitor aber richtig neu wirkte. “Solltest du auch bei uns im Haus über Kamera machen!” schlug er vor und guckte dabei fachmännisch auf die große Standkamera: “Die könnte ich jetzt auch schon bedienen.”, was nicht mal angegeben war, denn das hatte er bei den Tanzbrunnenkonzerten der Wise Guys gelernt. Wir waren in dieser seltsam irrsinnigen Umgebung nicht mehr wirklich ernst und überlegten, ob die Regie eventuell verzweifelt ihren Standardsatz fragen würde: “Ist ein Kameramann im Publikum??” und Rüdigers große Stunde gekommen wäre, aber da kam Bettina Böttinger auf die Bühne. Sie war viel zierlicher, schmaler und auch kleiner als gedacht, und die Augen waren noch schräger als erwartet. Sehr nett sprach sie über ihre Frisur, ihre Fahrt über den Paß von der Schweiz nach Italien, bei der sie im August im Schnee steckengeblieben war, und war einfach total sympathisch. Innerhalb weniger Minuten war ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich nicht doch nochmal in das Studio kommen wollte. Wer waren schon die blöden Security-Leute, wenn es danach die nette, intelligente, feinfühlige Bettina Böttinger gab? Es machte sofort wieder Spaß dort zu sitzen.

Bettina Böttinger erzählte ein bißchen, lachte zwischendurch und lief hin- und her. Viel angenehmer, als wenn ein Penetrant-Motivator den Warm-up übernommen hätte. (Obwohl wir mal einen bei der Dirk Bach Show hatten, der einfach spitzenmäßig war!) Zum Schrecken der Regieassistentin klebte plötzlich einer der Standmarkierungs-Punkte nicht mehr am Boden, sondern an der Schuhsohle der Moderatorin, und mit Gelächter wurde der ursprünliche Klebeort gesucht. Es wurde einmal zur Probe geklatscht, Bettina Böttinger erklärte, dass sie den ersten Gast, der tatsächlich Klaus Hoffmann war, normalerweise duzt, bei dieser Sendung aber wegen der größeren Distanz im Gespräch siezen würde, und es war sehr locker und einfach nett. Dann kam die Durchsage, dass es noch 30 Sekunden bis zum Beginn der Sendung wären und alles wurde ganz ruhig. Bettina Böttinger stand auf ihrem Markierungspunkt und wartete. “Ich hätte noch einen guten Witz gehabt”, grinste sie in die Stille, “aber dafür ist es jetzt zu spät.  .... Aus der Schweiz. Na, erzähl ich Ihnen beim nächsten Mal!” Die Anfangsmusik von “B. trifft...” erklang, Bettina Böttinger wurde ganz ernst und konzentrierte sich auf ihre Ansage, denn es war nach der Sommerpause auch noch die erste Folge der neuen Staffel, und dann ging es endlich los. 

Klaus Hoffmann kam rein, und da ich ihn sehr sympathisch finde, einige seiner Lieder kenne und seine Stimme gerne höre, war ich gut gelaunt und sehr gespannt auf die nächste Stunde.
Er wurde als Sänger, Liedermacher und Autor vorgestellt, beantwortete die üblichen Anfangsfragen, und das Thema der Sendung war: “Wieviel Vater braucht der Mensch”. Leider blieb genau vor uns eine Kamerafrau mit Handkamera stehen und filmte das Publikum. Es waren etwa 80 Zuschauer im Raum, aber sie blieb eine Stunde lang fast am gleichen Platz stehen, und ich befürchte, dass sie nur immer die gleichen fünf Leute aufgenommen hat. (Ich finde es witzig und gut, wenn ich mich später im Fernsehen so ganz kurz im Hintergrund vorbeihuschen sehe, aber ich setze mich nie freiwillig in die erste Reihe, finde Nahaufnahmen von einer Kamera vor mir einfach entsetzlich und versuche immer einen Platz zu finden, von dem aus ich gut sehe, aber nicht so gut gesehen werde. Ist bei dieser Sendung irgendwie völlig schiefgegangen, und ich war froh, dass ich mich auf das Geschehen auf der Bühne konzentrieren konnte.)

Die Atmosphäre im Studio war sehr schön, das Gespräch ruhig, aber trotzdem lebendig und interessant. Mich faszinierte, wie intensiv Klaus Hoffmann im Gespräch Bettina Böttinger ansah, und wie aufmerksam er sich auf die Unterhaltung einließ.

 





 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach ein paar Minuten saß er ganz ins Gespräch vertieft auf dem Sessel, die Hosenbeine rutschten hoch und ich fand es einfach süß, wie er sehr konzentriert dort saß, die Schuhspitzen leicht aufeinander zeigend, dazu die langen, dunklen Strümpfe und erst ab der Wade wieder die Hosenbeine. Nicht so sehr auf das Äußere bedacht, sondern mit ganzer Seele dabei.

Auch das “Sie” vergaß er zwischendurch mal und fragte: “Willst du das jetzt alles wissen?”. Es war zu merken, dass er auch sonst viel nachdachte, viel überlegte und sehr gerne ruhige Gespräche führte. Nett, humorvoll und rundum sympathisch. Bettina Böttinger stellte gute Fragen, und ist überhaupt sehr sensibel und eine gute Zuhörerin. Die Sendung gehört nicht umsonst zu den von mir regelmäßig und gerne geguckten.

Natürlich sang Klaus Hoffmann dann auch ein Lied, “Die Männer meiner Mutter”, das mich jedoch nicht sofort vom Hocker warf. Zuerst dachte ich, es sei viel zu kitschig, aber gegen Ende wurde es doch anders und ich müsste es wirklich nochmal anhören, um es beurteilen zu können. Es war leider Playback, aber als er in unsere Nähe kam, konnten wir hören, dass er auch richtig mitsang. Schon beim Sprechen hat er eine junge, melodische Stimme, aber beim Singen ist sie noch heller und klingt sehr schön.


Die Zeit für den zweiten Gast war gekommen, und eine mir völlig unbekannte Frau kam, die ein Buch über ihre Kindheit und die Suche nach dem Vater geschrieben hatte. Sie war in dem Glauben aufgewachsen, dass ihr Vater gestorben sei, und hat erst spät erfahren, dass er ein amerikanischer Tangotänzer war.



 Leider war er verstorben, ehe sie ihn gefunden hatte, aber sie hatte jetzt die innere Unruhe und unbewußte Suche nicht mehr als Belastung in ihrem Leben. Der Vater von Klaus Hoffmann war gestorben, als der etwa 10 Jahre alt war, und hatte dadurch das Leben und Vaterbild natürlich auch sehr geprägt. Das weitere Gespräch blieb interessant, auch wenn es kein richtig gemeinsames wurde, sondern eher abwechselnd erzählt wurde.

Am Ende sollten noch Kinderfotos den passenden prominenten Vätern zugeordnet werden, aber da ich die Kinder alle kannte, fand ich es sehr einfach. Ein paar letzte Sätze, die Sendung war vorbei, über die Monitore kam die Abschlußmusik und das Publikum klatschte. Bettina Böttinger bedankte und verabschiedete sich, ich war supergut gelaunt und da wir so nahe am Ausgang saßen, waren wir auch ziemlich schnell weg. Erstaunlicherweise kamen die Securityleute erst an, als wir schon aus dem Gebäude rausgingen und so hätten wir bis dahin Stühle zertrümmern und Fernsehleute verprügeln können, wie wir wollten. Ich habe einfach zu wenig kriminelles Potential für einen Talkshow-Besucher!

Schon auf dem Parkplatz, beim Einsteigen ins Auto änderten wir unseren Beschluss: “Nie mehr in eine Talkshow!” in: “Bettina Böttinger ist so nett, die Sendung war klasse - da gehen wir nochmal hin.” Soviel zu festen Vorsätzen, aber ich kann mir die guten Sachen doch nicht nur durch die komischen Anzugträger mit dem bösen Blick verderben lassen.

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