Die vielen Sportplätze der Sporthochschule Köln waren voll von buntgekleideten Leuten, die quer durcheinander alle
möglichen Sportarten demonstrierten. Leichtatlethen sprinteten vorüber, Hürdenläufer sprangen mit beiden Beinen gleichzeitig über hintereinander aufgestellte Hürden und titschten dabei wie Gummibälle auf dem Boden ab,
es wurde Tennis gegen die Wand und Beachvolleyball im Sand gespielt, gerannt, gehüpft und gesprungen. Auf dem Bürgersteig kamen uns Inlinefahrer entgegen, hinter einem hohen Zaun rannten Fußballer dem Ball hinterher,
und ich kam mir merkwürdig unsportlich und fast schwerfällig vor, als ich so ganz normal zum ‘musischen Forum’ ging, in dem die ‘Männerkulturen’ stattfanden. Um nicht aufzufallen, hätten wir den Weg im Dauerlauf
zurücklegen müssen, aber dazu war es einfach zu warm und ich glaube auch nicht, dass einer von uns das wirklich gewollt hätte. Schließlich waren wir nur zum Zugucken da.Das musische Forum sah aus wie eine Schule mit
Klassenzimmern und auf dem schwarzen Brett im Eingangsbereich hingen Zettel, die über Musicalkurse und Tanzworkshops informierten. Außerdem wurden für Open-Air-Veranstaltungen Darsteller für die Biene Maja, ihren Freund
Willy und für Rudi Rabe gesucht, möglichst mit Originalstimme. Sehr faszinierend. Der Theatersaal war ein umgebautes Klassenzimmer, allerdings mit richtiger, wenn auch spartanischer Bühne und sehr gutem
Beleuchtungssystem an der Decke. Etwa 100 Leute passten rein und es war schön voll. Das Programm begann, die drei Darsteller kamen in grauen Anzügen und farbigen Hemden auf die Bühne, stellten sich nebeneinander hin
und starrten regungslos ins Publikum. Nicht einmal die Lider zuckten und in die gespannte Stille hinein hörte man draußen ein Flugzeug vorbeibrummen. Plötzlich strahlte das Licht hell auf, die drei brüllten los, rannten
kraftvoll auseinander, dann in vollem Tempo aufeinander zu, knallten in der Mitte der Bühne zusammen und fielen lang nach hinten auf den Boden. Zack, Bum, Ruhe. Ich guckte etwas verwirrt und überlegte, was mir das jetzt
sagen sollte. War es kurz und knapp das Verhalten der Männer? Erst lange nichts, dann viel Gebrüll und Wirbel, Selbstüberschätzung und KO? Das wäre wohl zu einfach und klischeehaft, aber für mich als Frau dann
trotzdem witzig. Ehe es jetzt böse Männerblicke gibt: Ich lache gerne über typisch männliches Verhalten und mache mich darüber lustig, finde Männer an sich aber trotzdem schützens- und erhaltenswert. Außerdem habe ich
selber auch einige typisch weibliche Eigenschaften drauf und dazu einen Mann, der sie mir genüßlich vorhält. Bissig und selbstkritisch kann ich über beide Gattungen lachen. Die drei Männer auf der Bühne zogen ein
schweißtreibendes Programm ab, das besonders optisch sehr beeindruckend war. Gleichzeitig ausgeführte Bewegungen, mal sehr ruhig, dann wieder in rasantem Tempo gaben ein eindrucksvolles Bild. Alles wirkte sehr
sorgfältig und genau einstudiert und war bis in die letzte Handbewegung geplant. Besonders faszinierend, dass ich kein Kommando entdecken konnte, wenn sie ganz plötzlich gleichzeitig und sehr exakt mit einer
überraschenden Bewegung loslegten. Sie wirkten auf mich einfach wie ein sehr gut eingespieltes Team, das lange und mit großer Leidenschaft an den Nummern gearbeitet hatte und inzwischen auf Bruchteile von Bewegungen
reagieren konnte. Große Klasse! Es gab aber nicht nur supersynchrone Bewegungen (beeindruckend die Zeitlupen!) und ständige Kostümwechsel zu sehen, sondern auch Texte zu hören. Es ging um Fußball, Frauen, den ‘besten
Freund’ und zeigte Männer vom Macho bis zum Weichei. Kritisch und selbstironisch hatten die Darsteller alle Klischees zusammengetragen und sehr spannend und abwechslungsreich in kurzen, kleinen Episoden miteinander
verbunden. Trotz der kurzen Szenen und oft explodierenden Bewegungen gab es keine Hektik, sondern sie ließen sich Zeit aufgebaute Bilder wirken zu lassen und einfach mal einige Sekunden still stehen zu bleiben. Sehr
genial eine Szene, in der sie zu Beginn lange weinten, dann nacheinander ganz leise eine Geschichte erzählten, während das Publikum ernst und sehr still zuhörte, und danach in Lachen übergingen. Der Stimmungswechsel auf
der Bühne spiegelte sich jedesmal sofort in den Gesichtern der Zuschauer wider und es war wirklich beeindruckend wie es von ‘Betroffen’ über ‘Aufmerksam’ nach ‘Fröhlich’ ging. Ich verstand oft, aber nicht immer was
die Bewegungen ausdrücken sollten, merkte aber schnell, dass nichts zufällig gemacht wurde, sondern immer mit Bedacht choreographiert worden war. Mit großem Interesse und sehr neugierig nahm ich die optischen und
akustischen Darstellungen auf, es gab viel Tolles zu sehen, gute gewählte Musik zu hören, blieb spannend und war oft lustig - nicht nur für Frauen. Auch die anwesenden Männer hatten ihren Spaß. Am Schluß gab es viel
begeisterten Applaus und das war ein Moment, in dem die Spannung auf der Bühne wegbrach, weil nicht durchchoreographiert war, wie der lange Beifall auszuhalten war. Die drei Schauspieler mit der perfekt geplanten
Körperhaltung waren plötzlich weg, und stattdessen standen drei ganz normale Männer da, fielen aus ihrer starren Rolle, wackelten etwas verlegen herum und grinsten glücklich ins Publikum. Klasse. Nachspann: Ein Freund
hatte mir den Besuch der ‘Männerkulturen’ sehr empfohlen und dazu gesagt: “Das kann man nicht beschreiben.” Da hatte er wirklich Recht. Es ist weder Tanz, noch Theater, noch Kabarett, aber trotzdem von allem etwas. Mir
hat es sehr gut gefallen und ich würde sagen:
Ungewöhnlich, sehr interessant und wirklich sehenswert! |