14.10.2002,  Gloria-Theater, Köln
Springmaus gegen Frizzles 

Ich war sowas von müde. Die letzten Abende waren immer zu lang geworden und die Nächte dementsprechend zu kurz. Den ganzen Tag über hatte ich eingekauft und gepackt, weil ich am nächsten Morgen in einen Kurzurlaub starten wollte, und irgendwie war ich am Ende meiner Energie angekommen. Ich saß im Gloria-Theater, um den Impro-Kampf des Jahres zu sehen, aber eigentlich sehnte ich mich gähnend nach einem Bett. Die Springmäuse und die Frizzles hatten also einiges vor sich, wenn sie mich wirklich wachhalten und begeistern wollten. Sehr erschwerte Bedingungen, von denen sie zum Glück nichts ahnten.

Kurz nach 20 Uhr kam im rappelvollen Gloria ohne jede Vorwarnung ein Klavierspieler auf die Bühne, die Unterhaltungen brachen ab und nach kurzem Zögern begann ein Beifall. Huch, es ging scheinbar los! Die Musik begann, das Saallicht ging auch endlich aus und Anka Zink, die Moderatorin kam auf die Bühne. Ihr Hosenanzug war so rot wir der Vorhang im Hintergrund, und auch der Lippenstift war farblich passend abgestimmt. Da sie auch rote Schuhe trug, wirkte sie manchmal fast wie ein Gesicht, das über die Bühne schwebte, also irgendwie bluescreenartig, aber in Rot. Übrigens ist Anka Zink früher selber mal Mitglied der Springmäuse gewesen und ich habe sie in dieser Rolle mehrfach gesehen.

Sie kündigte den “gnadenlosen Impro-Event” an und erklärte die auf den Sitzen liegenden Karten. Es gab eine leere, weiße und eine rote mit Werbung für das Stück ‘Caveman’. Die Werbung war aber eher nebenbei drauf, die Karte galt einfach als rote Abstimmungskarte. “Zahlen - klatschen - gehen ist heute nicht!” betonte Anka Zink, “Es wird heute mehr verlangt.” In Probeabstimmungen wurde der Einsatz der beiden Karten getestet, dann ging es mit dem Wettstreit los.

Drei Springmäuse setzten sich halbschräg nach links auf eine Bank, drei Frizzles nach rechts und die Frizzles forderten ihre Gegner zuerst heraus. Im direkten Vergleichskampf sollten die Zuschauer nach jeder Runde per Kartenabstimmung entscheiden, welche Gruppe die Aufgabe am besten gelöst hatte. Zuvor baten die Frizzles aber um Vorschläge zum Thema ‘Dienstleistungsgewerbe’, die Zuschauer riefen laut zur Bühne und bei der “Partnervermittlung” nickten die beiden Ausführenden sofort. Das Thema der Improvisation stand also fest: ‘Bei der Partnervermittlung’. Erschwert wurde die Sache nur durch die Frizzle-Dame, die vor jedem Satz kurz angab, wie viele Wörte er enthalten musste. Mal drei, dann vier, dann eins, dann siebenundzwanzig. Es war sehr witzig und ich zählte, wie wohl fast alle der Anwesenden, mit den Fingern mit, ob es stimmte und war manchmal baff, wie gut die Qualität der Sätze dabei war. Sehr witzig, und am Schluß gab es großen Applaus vom sehr gut gelaunten Publikum. Irgendwie war ich überhaupt nicht mehr müde.

Die Springmäuse antworteten mit den ‘A-bis-Z-Spiel’, bei dem jeder Mitspieler seinen Satz mit dem nächsten Buchstaben des Alphabetes beginnen muß. Das Publikum schlug als Ort ein ‘Jagdtrophäengeschäft’ vor, in dem jemand etwas umtauschen sollte. Begonnen wurde mit ‘M’, weil ein Zuschauer in den ersten Reihen ‘Markus’ hieß. Wieder ging ich vor jedem Satz in Windeseile das Alphabet durch “A-B-C-D-E-F....”, wartete gespannt, ob der nächste Satz auch mit dem richtigen Buchstaben anfing, und war richtig erleichtert, wenn die Mitspieler richtig und meistens auch noch originell reagierten. Marion Radke war bei ‘J’ dran und fragte mit kölschem Einschlag: “J anz sischer?”, was ihr einen Extralacher bescherte. Als sie am Ende dann das ‘L’ vergaß und sofort den letzten Schlußsatz mit ‘M’ sagte, ärgerte sie sich fast über diesen Fehler, den das Publikum nur lachend bemerkte.

Am Ende der Runde wurde abgestimmt. Wer die Springmäuse besser fand, sollte die weiße Karte hochhalten, bei den Frizzles galt die rote Karte. Allerdings hatte Anka Zink das sehr verwirrend erklärt, sprach dann sogar mal von “gelben Karten”, und so war es mir noch während der Abstimmung etwas unklar, ob ich die richtige Karte hochhielt. Ich ignorierte darum einfach die Erklärung der Moderatorin und richtete mich nach meiner Logik. Bei blonden Frauen ein riskantes Unternehmen, aber es klappte. Da der Punktezähler eine linke, weiße Seite und eine rechte, rote hatte, vermutete ich, dass die jeweiligen Farben den links sitzenden Springmäuse und rechts sitzenden Frizzles zugeordnet werden konnten. Die Abstimmung war so knapp, dass es einen Gleichstand gab. Anka Zink stellte den Zähler auf 1:1 und stöhnte: “Das geht ja schon super los!”









Die Springmäuse












                                  Die Frizzles




Mehrere Runden folgten. Abwechselnd forderten sich die Gruppen zu verschiedenen Themenbereichen heraus und stellten sich nach jeder Runde der Publikumsabstimmung. Es war supergut! Ich war absolut nicht mehr müde, blickte hellwach und hochkonzentriert auf die Bühne und lachte immer wieder laut los.

Als die Frizzles einen ‘Gebärdendolmetscher’ zu einem Interview über die Erfindung “Glühbirne mit Fliegenklatsche” auf der Bühne hatten, musste ich so heftig lachen, dass ich richtige Bauchschmerzen bekam! An der Stelle, an der es um “genetische Fehler in Fliegen” ging, drehte sich der ‘Gebärdendolmetscher’ mit einem angedeuteten Fliegenstummel (nur einem!) schnell im Kreis und ich konnte vor Lachen kaum noch Luft holen. Superklasse! Am Ende gab es tosenden Applaus vom Publikum, und von Anka Zink einen Sonderpunkt für die Springmäuse, die eine Frage mit dem Wort “Spagat” eingeworfen hatten, und einen Sonderpunkt für die Frizzles, weil der Gebärdendolmetscher diesen sofort ausgeführt hatte.

Eigentlich löste ein Höhepunkt den nächsten ab und als Zuschauer kam man nicht zur Ruhe. Außerdem wurden vor jedem Spiel Vorschläge aus dem Publikum gefordert und man musste seine Idee lautstark in Richtung Bühne rufen. Auf die Frage von Anka Zink: “Was für ein Hobby können zwei Leute gemeinsam ausüben?”, brüllte die nette, zweifellos gut erzogene Dame neben mir spontan und sehr, sehr laut: “Poppen!!!”, woraufhin sie von allen Umsitzenden überrascht angegrinst wurde und sich nicht traute den Vorschlag nochmal zu brüllen. Schade eigentlich.

Bei den Abstimmungen blieb es immer sehr knapp, weil einfach alles gut war und die Entscheidung immer sehr schwer wurde. Außerdem gab es so viele Sinneseindrücke, dass es nach dem zweiten Spiel oft schwer war, sich einigermaßen an das Spiel davor zu erinnern. Um was ging es nochmal? Was hatten die anderen gemacht?? Sehr schön fand ich, dass beide Gruppen dem ‘Gegner’ interessiert und aufmerksam bei dessen Ausführungen zusahen und anerkennend lachten, wenn es besonders gute Sachen gab. Es war ein  freundschaftliches Kräftemessen zweier sehr guter Improvisationsgruppen, die qualitätsmäßig keinen richtigen Unterschied zeigten.

Die Aufgaben waren nicht einfach und ich war jedesmal ganz erleichtert, wenn der Darsteller eine Lösung fand. Puh, nochmal Glück gehabt! Vielleicht ist das ein Grund für den Erfolg von guten Improvisationsgruppen, denn obwohl ich selber nichts machen musste, fühlte ich mich während der Aufgabe sehr angespannt und am Ende, wenn alles gut überstanden war, so erleichtert, als hätte ich eine Prüfung gut bestanden. Witzig.

Weitere Spiele am Abend waren zum Beispiel eine Szene beim Fallschirmspringen, bei der auf Kommando die Emotionen gewechselt werden mussten, und die in einem vom Publikum umjubelten Orgasmus endete. Auch eine Verkaufssituation, bei der nach einem laut gerufenen “Stopp!” der Handlungsort gewechselt werden musste, so dass die Darsteller erst in einer Fleischerei waren, und dann mit der gleichen Handbewegung in einem Sex-Shop weitermachen mussten, brachte das Publikum immer wieder zu lautem Lachen. 

Natürlich musste bei einigen Improvisationen auch gesungen und getanzt werden, der Pianist legte mit Musik los und die Darsteller mussten sehr spontan zu vorgegebenen Themen Musicals oder Opern bringen.

 

 

 

Am Schluß hatten die Springmäuse mit einem Punkt Vorsprung gewonnen, aber eigentlich wäre es ein perfekter Gleichstand gewesen, den Anka Zink ein bißchen gedreht hatte, damit es einen Sieger des Abend gab.

Die letzte, laut geforderte Zugabe wurde dann von beiden Gruppen gemeinsam gespielt. Die Zuschauer hatten das Thema ‘Dieter Bohlen’ und als Genre ‘Oper’ vorgeschlagen und es gab ein turbulentes Spiel mit Dieter, Naddel, Verona und Thomas Anders. Dramatisch und voller Spannung, mit gesungenen Soli, Duetten und spontanen Gruppengesängen. Abgedreht und sehr witzig.

Fazit: Superklasse! Ich habe selten so viel gelacht, von Müdigkeit nichts mehr gemerkt und kann beide Gruppen unbedingt empfehlen!

Weitere Infos bei:

www.springmaus.com

www.frizzles.de

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