Als die kleine Giraffe ihre Punkte verlor
Ich mache ein Kinderbuch

Woche 55
- 5.August 2007
Am Anfang der Woche blätter ich in meinem Manuskriptheft, um zu sehen, wo die Platzhalter für die Illustrationen noch nicht abgehakt sind. Es gilt die letzten Lücken zu schliessen und die bisher aufgeschobenen, meist kleinen Zeichnungen zu machen. Und da passiert es: Ich blätter die 48 Seiten durch und alle Platzhalter sind abgehakt! Ich hatte am Vorabend schon geahnt, dass ich mich kurz vor dem Etappenziel befinde, aber zur Sicherheit blätter ich nochmal durch. Es bleibt dabei, alle Illus sind abgehakt. Hey!

Spontan denke ich daran mir eine Flasche Sekt zu öffnen, aber morgens um 8 Uhr 30 habe ich da gar keinen Appetit drauf, außerdem trinke ich den lieber mit Orangensaft, den ich nicht im Haus habe und dann fällt mir ein, dass ich das neue Krokodil noch nicht gemacht habe und sowieso alle Bilder noch mal überarbeiten muss. Auch das Titelbild fehlt noch. Ganz richtig fertig bin ich also noch nicht, aber ich bin einmal durch und begebe mich ab jetzt an die letzte Feinarbeit. Zur Feier des Tages schütte ich mir einen leckeren afrikanischen Tee auf, der ja auch viel besser zum Buchthema und zu den momentanen Außentemperaturen passt. Den Sekt trinke ich dann, wenn ich das fertige Buch in der Hand halte.

Ganz besonders freut mich, dass ich die Illustrationen noch im Juli geschafft habe, auch wenn meine freie Urlaubszeit erst sehr verspätet beginnen konnte. Damit ich gleich gut drin bleibe, mache ich ein neues Krokodil, dem ich selber nicht beim Baden begegnen möchte und setze mich dann an den Computer, um die erste Doppelseite zu gestalten.

Dabei experimentiere ich wieder mal mit verschiedenen Schriftarten herum, denn eigentlich gefällt mir die ‘Comic Sans’ am besten, aber ich gebe zu, dass sie unoriginell ist. Ganz gerade Nachrichten-Schriftarten mag ich aber nicht, lockere sind oft schwer zu lesen. Oder sie sind locker, aber trotzdem gut lesbar, haben dann aber keine Umlaute und kein ‘scharfes S’. Leider habe ich hin und wieder diese Buchstaben im Text verwendet, ansonsten würde es ja gar nicht auffallen. Außerdem darf die Schrift nicht zu breit sein. Eine Schrift nach der anderen fliegt wieder raus und am Schluß bleiben zwei übrig, von denen eine ‘Comic Sans’ ist. Die andere ist krummer, origineller, passt zum Buch, ist aber auch ein wenig schwerer zu lesen. Wenn auch nicht viel. Ich werde mich bald entscheiden müssen.

Blöderweise habe ich nicht nur viele Bilder, sondern auch viel Text gemacht. Das bedeutet, dass die Schrift nur 10 Punkt groß werden darf, um komplett auf die Seiten zu passen. Die nachlassende Augenschärfe von bei funzeligem Licht am Bett vorlesenden Eltern kann ich da leider nicht berücksichtigen. Ich überlege, ob ich dem Buch als Bonus eine Lesebrille beilegen soll.

Nach einigem Probieren mit Seitenzahlen, Blocksatz, Flattersatz, farbigen Überschriften, 11-Punkt-Schrift und dann doch wieder 10-Punkt-Schrift, passe ich alles ein und drucke die erste layoutete Doppelseite aus. Hey! - Sie sieht fast aus wie ein richtiges Buch! So also wird es ungefähr werden. Obwohl ich schon so lange daran arbeite und vom Ergebnis eigentlich nicht überrascht sein sollte, wirft mich das doch ein bisschen um.

Autorin, Illustratorin, Verlegerin und Layouterin blicken gerührt lächelnd auf die erste Doppelseite und sagen erstmal gar nichts mehr.

Blocksatz oder Flattersatz?
Soll die Giraffe auf dem Titel mit oder ohne Punkte zu sehen sein?
Und was passiert sonst noch?



Woche 56 - 12.August 2007
Die Woche ist zu kurz für die Giraffe, weil ich schon nach wenigen Tagen meinen Koffer packe und wieder eine Reise ans Meer unternehme. Irgendwie ist das von mir unklug geplant, denke ich, aber es gibt mal wieder sehr nette Sachen zu filmen, die ich mir nicht entgehen lassen will. Trotzdem wird in den drei kurzen Tagen, die ich zu Hause verbringe, mehr fertig, als in manchen anderen Komplett-Wochen. Es ist für mich unglaublich, dass sich so viele Arbeitsbereiche deutlich dem Ende nähern und das gibt mir Motivation und Energie. Ich mache zwei Illustrationen komplett neu, fange eine dritte an und bin mit dem Ergebnis viel zufriedener. Das liegt daran, dass ich die Affen und die Giraffe jetzt viel besser kenne und nicht mehr überlegen muss, wie sie aussehen, wenn sie nach links gucken oder ein erstauntes Gesicht machen. Ich weiß es jetzt einfach und muss es nur aufzeichnen.

Wahrscheinlich kriege ich die Krise, wenn das Buch fertig ist und meine vertraute Giraffe und die Affen munter weiter im Dschungel leben, während ich nicht mehr dabei sein kann. Hört sich jetzt blöd an, ist aber so. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Geschichte nicht aufwändig konstruieren und überlegen musste, sondern dass sie einfach da war und ich sie nur aufschreiben musste. Irgendwo scheint es diese kleine Giraffe und die Affen wohl zu geben und vermutlich haben sie mir ihre Geschichte telepathiert. Das ist so ähnlich wie telefonieren, nur ohne Telefon. Es muss so gewesen sein, denn wenn sie mich übers Festnetz angerufen hätten, könnte ich mich sicher dran erinnern.

Auch die Musik für die Hör-CD wird aufgenommen. Texte zum Mitsingen und Grölen wird es ja nur später mal für das Musical geben, auf die CD kommt Hintergrundmusik von einer Gitarre. Wobei die Hintergrundmusik an Stellen, an denen es nur Musik gibt, ja automatisch Vordergrundmusik wird. Die Musik ist wunderschön, wird von einem ganz lieben Freund extra für die Giraffengeschichte gemacht und passt genau zur Atmosphäre. Ich bekomme verschiedene Takes, die ich auf der CD kombinieren oder einzeln verwenden kann, so dass ich mir immer die passende Stimmung zur jeweiligen Situation basteln kann, der grundsätzliche Melodiebogen aber bestehen bleibt. Ganz wichtig ist mir, dass es keine simple Kleinkindmusik ist, die mit zwei Akkorden auskommt und dämlich klingt. Kinder werden oft unterschätzt und unterfordert und kommen durchaus mit längeren Geschichten und “richtiger” Musik klar. Selbst wenn sie noch nicht alles verstehen, fühlen sie sich ernst genommen und freuen sich über Sachen, die sie entdecken. Ist doch egal, wenn ein Kind nicht die Tragik erfasst, wenn eine Giraffe ihre Punkte und damit ihre Identität verliert, und stattdessen über das dumme Gesicht eines Affen lacht. Das mit den Punkten kommt dann später mal.

Könnte man Handykosten sparen, wenn man statt zu telefonieren regelmäßig telepathiert?
Sollte ich nicht endlich mal den alten Scanner durchtesten und dann vielleicht einen neuen kaufen?
Und was passiert sonst noch?



Woche 57 - 19.August 2007
Die Verteilung von Text und Bildern am Computer dauert länger, als gedacht. Zwei Tage lang probiere ich die letzten Schriftarten durch, entscheide mich dann endgültig, kopiere Textstücke, messe Illustrationen aus, verteile alles auf die passenden Seiten, ergänze Anführungsstriche, die beim Kopieren hin und wieder verloren gehen, drucke aus, speichere Seiten falsch ab, woraufhin ich sie dann nochmal aufbauen muss, und ändere kleine Textstellen, weil sie mir plötzlich anders besser erscheinen. Da die meisten Sprecher ihre Texte aber schon gesprochen haben, kann ich nicht mehr an die Dialoge gehen, auch wenn mir da hin und wieder nette Ideen kommen. Aber egal.

Endlich habe ich alle Seiten fertig überarbeitet und ausgedruckt. Nebeneinander auf dem Boden liegend, füllen sie fast meine gesamte Küche. Die ist nicht besonders groß und die Verteilerei ist ziemlich sinnlos, denn man kann dann weder die Küche benutzen, noch den Text ordentlich lesen, aber um mich selber zu beeindrucken, muss das einfach mal sein. Wenn ich den Küchenboden mit 48 Din-A-4-Seiten meiner Arbeit füllen kann, weiß ich, was ich gemacht habe. Allerdings lasse ich den Tisch und die Stühle während der Aktion stehen und lege drumherum, denn die schweren Sachen deswegen extra nach draußen zu schleppen, wäre nicht nur sinnlos, sondern total blödsinnig.

Jetzt kann ich die Blätter an meine Lektorin schicken, die ich ausnahmsweise mal nicht selber bin, auch wenn ich sonst ja gerne fast jeden Posten in der Firma übernehme. Ich halte es in diesem Fall für sinnvoll, wenn jemand meine nach bestem Wissen falsch gesetzten Kommas und kreativen Rechtschreibfehler in geordnete Bahnen bringt und ich die nicht selber durchsehe und weiterhin für gut halte.

Die Lektorin ist ein ganz typischer Fall für die tolle Sachen, die mir bei der Arbeit für dieses Buch begegnen. Sie hat mir von sich aus angeboten, das Korrekturlesen zu übernehmen, was sie ansonsten beruflich macht. Einfach so. Ich bin da immer ganz baff und freue mich total. Auch die Hör-CD-Sprecher haben alle sofort zugesagt, obwohl ich kein Honorar zahlen kann und ihre einzige Bezahlung ein Buch sein wird. Natürlich haben die Sprecher die Chance, dass dieses Buch weltberühmt wird und sie dann in späteren Interviews der Presse sagen können: “Ich war sofort der festen Überzeugung, dass hier ein Sensationserfolg ensteht und wollte das Projekt gerne mit meiner Stimme unterstützen”, aber ganz sicher können sie ja nicht sein.

Dass auf der Hör-CD gute Freunde von mir mitmachen, halte ich zwar nicht für selbstverständlich, aber immerhin für nachvollziehbar. Dass aber auch Leute mitmachen, die ich sehr mag, die aber nicht zu meinem näheren Freundeskreis gehören, finde ich verblüffend und irgendwie großartig. Ich habe gefragt und sie haben sofort “Ja” gesagt. Eine Hör-Cd mit vielen Leuten, die ich alle mag - das ist doch mehr als klasse! Ich hätte auch noch einige Leute mehr gewusst, die ich gerne gefragt hätte und die sicher mitgemacht hätten, für die es aber keine Rollen mehr gab. Einfach mal die Affenherde auf 30 Exemplare vergrößern, nur damit mehr Leute mitsprechen können, erscheint mir etwas riskant für die Übersichtlichkeit der Geschichte. Auch wenn ich in finanzieller Sicht froh sein kann, wenn überhaupt die Druckkosten wieder reinkommen, ist das Giraffenbuch für mich ein unglaublich schönes Projekt, das viel mit Engagement, Liebe, Freundschaft und Unterstützung zu tun hat. Die vielen, äußerst positiven Erlebnisse um die Entstehung herum, werden mich auch weiterhin im Leben begleiten und beeinflußen.

Und nein, ich verrate nicht vor der Veröffentlichung, wer bei der Hör-CD mitmacht. Es wird auf Seite 47 im Giraffenbuch stehen und auf der beiliegenden CD zu hören sein. Ich weiß, das ist gemein, aber ich muss ja irgendwelche Überraschungen und Geheimnisse haben, um die Aufregung um das Buch anzuheizen. Die spannende Frage muss bleiben: “Spricht ihr Nachbar Herr Schmitz mit oder hat sie George Clooney gewinnen können?” Weder noch, so viel kann ich sagen. George Clooney hat einen zu starken Akzent und mein Nachbar heißt nicht Herr Schmitz.

Werde ich die nächste Woche nutzen können, um die Illustrationen komplett zu beenden?
Wie soll überhaupt das Titelbild aussehen?
Und was passiert sonst noch?


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