Seite 2:  Ich baue einen Grillplatz   Woche 6-10

WOCHE 6
31. Juli 2005
Die Höllenmaschinen-Fräse hat versucht mir einen weiteren Finger arbeitsunfähig zu machen! Nachdem sie vor einem Jahr das Gelenk meines rechten Ringfingers empfindlich verletzt hat, so dass es bis heute noch nicht wieder in Ordnung ist, hat sie es diesmal mit dem linken Zeigefinger probiert. OK, ich muss zugeben, dass ihr Anlasserzug meiner Hand nicht wirklich ausweichen konnte, die ein bißchen blöde im Weg war, aber trotzdem. Dass ich mir bei der Bedienung der Fräse mit der rechten Hand die linke fast KO schlage, kann nicht nur an MIR liegen! Jammernd lag ich auf einer Gartenbank, hielt mit der ramponierten rechten Hand die akut schmerzende linke und wartete, dass der Schmerz nachließ. Aber trotz einer ziemlich spürbaren Verstauchung hing ich etwas später wieder hinter der Fräse und ließ mich grimmig guckend über’s Gelände ziehen. Mich kriegt die nicht so schnell klein! Ich würde auch mit zwei Gipsarmen weitermachen.

Das Leben in Gummistiefeln liegt mir übrigens näher, als eines im Cocktailkleid. Ziemlich zufrieden begebe ich mich täglich in die Wildnis, ziehe Wurzelreste aus der Erde, bekämpfe die letzten Brombeerranken und grabe gut gelaunt um. Hätte ich rechtzeitig einen netten Jungbauern kennengelernt, würde ich jetzt wahrscheinlich nicht zu Konzerten und Veranstaltungen gehen und eine Homepage mit Berichten füllen, sondern Ställe ausmisten und Kartoffeln ausbuddeln. Wahrscheinlich wäre ich nicht mal unzufrieden. Natürlich könnte ich überlegen, ob ich den angestrebten Grillplatz kurzentschlossen in eine Ferkelzucht und einen Kartoffelacker ändere, aber dann hätte ich im nächsten Jahr viele ausgewachsene Schweine in meinem Garten rumlaufen, die den auch ohne Fräse wunderbar roden und auseinander nehmen würden. Leider auch die Stellen, die schon als einigermaßen kultiviert gelten. Auf Dauer wäre ein Grillplatz dann schon pflegeleichter.

Der vorher schräge Boden ist inzwischen übrigens schon teilbegradigt. Aber da muss ich noch gewaltig was tun. Hinten ist höher als vorne und rechts sowieso. Dafür geht es links tief runter. Aber langsam kommt Form rein. Auch meine Gestaltungsüberlegungen werden jetzt immer konkreter, was beim Buddeln hilfreich ist, weil ich damit relativ zielgerichtet Erde um mich werfe. Wenn nur nicht diese schreckliche Schlepperei von Kies, Sand, Zementsäcken und Steinen noch vor mir liegen würde!


Aber ich grübel auch über andere Sachen: Wie kann ich in der Erde mehrere Halterungen so einbetonieren, dass die nachher eingeschraubten Pfähle die gleiche Höhe haben und perfekt zueinander ausgerichtet sind, damit ich ein Dach drauf setzen kann? Wenn ich die Pfähle sofort in die Halterungen schraube, bevor ich sie in Löcher einbetoniere, sind sie zu schwer und kippen mir im feuchten Beton ständig um, so dass ich wie ein Tellerschwenker im Zirkus von einem Pfahl zum anderen rennen muss, bis der Beton hart wird und sie fest stehen. Versenke ich zunächst nur die Halterungen im Boden, sind die später eingeschraubten Pfähle sicher die Lachnummer, wenn sie dann in alle Richtungen voneinander abstehen und niemals in der gleichen Höhe und parallel zueinander ausgerichtet sein werden. Naja, ich bin da eher der Hau-Ruck-Typ, der grob plant, einfach anfängt und die später entstehenden Probleme kreativ vor Ort löst.

Mit einem Gartentisch haben wir schon Stellproben gemacht und Größenverhältnisse ausgemessen. Schließlich muss ich wissen, wie viele Personen wo Platz finden. Eng nebeneinander stehend sind das übrigens mehr, als sitzend. Das aber nur nebenbei. Die 65 geschenkten Betonplatten sind von mir und den Kindern einzeln nach oben geschleppt worden, was “Bergwandern mit Gewicht” war. Eine massive Taschengeld-Entzugs- Androhung und schon ging’s. Der Garten ist übrigens so steil, dass man von oben über das Hausdach gucken kann. Andere Leute haben den Grillplatz AM Haus, meiner wird ÜBER dem Haus sein. Irgendwann mal.

 

WOCHE 7
7. August 2005
Es sieht momentan auf dem Gelände wieder schlimmer aus, geht dabei aber zügig weiter. Um das Gefälle auszugleichen, muss ich eine deutliche Stufe einplanen, die später den überdachten Sitzplatz vom gepflasterten Teil trennen soll. Während der Arbeit denke ich kurz über Rollrasen nach. Einfach die Erde glatt harken, den Rasen auf dem Gelände ausrollen, Tisch und Stühle drauf und fertig. Aber nein!


Mein Garten ist übrigens etwa 50 Meter lang und geht dabei steil nach oben. Vom späteren Grillplatz hat man eine nette Aussicht. Wer jetzt die Aussicht vergißt und stattdessen daran denkt, was alles von der Straße, die noch einige Meter unterhalb des Hauses liegt, hoch geschleppt werden muss - hält mich wahrscheinlich für völlig bekloppt.


Beim Umgraben finde ich zwei Tonstücke und ein Knochenstück. Blumentopfscherben und ein Rest Wildschweinknochen? Oder römische Gefäßstücke und ein Mordopfer? Zum Mordopfer fehlen mir weitere Knochen, aber bei den Tonscherben bin ich unsicher. Einen Baustopp des Amtes für Denkmalpflege wegen weiterer Ausgrabungen am Grillplatz kann ich mir aber einfach nicht leisten. Bis da so ein Tempel oder gar ein Amphitheater freigelegt und nummeriert ist, dauert das Jahre! Und ob ich dann da noch meinen Grill mittendrin aufbauen darf? Grillen im Amphitheater? Sicherheitshalber verbuddel ich die Stücke wieder und gebe die Verantwortung an die nächsten Generationen weiter.

Am Ende der Woche werden die ersten Sachen für den Grillplatz angeliefert. Schwere Zementsäcke, schwere Mauersteine, schwere Holzpfähle. Beim Auspacken kippt sofort die schwere Mittelplatte des Außengrills um und geht kaputt. Ich halte das für ein gutes Omen. In Einzelteilen ist sie auch besser zu transportieren. Außerdem bestelle ich Kies. Sieben Tonnen. Als ich es meinem Gatten später berichte, fragt er vorsichtig: “Du bist sicher, dass es sieben TONNEN, nicht sieben ZENTNER sind?” Ja, bin ich mir. Daraufhin guckt er mich ernst an und sagt nur noch: “Das muss alles hochgetragen werden, das ist dir klar?” Ja, ist es mir. Ich möchte meinem ab da vor sich hin schweigenden Gatten gerne sagen, dass er seine Ehefrau immer lieben und ehren muss, auch wenn sie seltsame Sachen macht, traue mich aber nicht, weil ich Angst habe, dass er darauf antwortet. Mein Sohn fragt: “Sieben Tonnen, also siebentausend Kilo??” und guckt beeindruckt. Ich kaufe Eimer. Eine Schaufel habe ich noch.

WOCHE 8
14. August 2005
Montags früh kommt der Kieslaster und schüttet einen Berg voll Kies und Sand auf den Bürgersteig. 7000 Kilo Kies als Berg sehen nicht mal nach so super viel aus, haben aber die Eigenschaft, dass sie auch nach vielen Stunden Arbeit nicht nach weniger aussehen. Wenn ich, rechts und links je einen 13-kg-Eimer voll Kies in den Händen, die 115 Schritte vom Kiesberg vor dem Haus bis zu meinem Grillplatz hochwandere, würde ich gerne in meditative Gedanken fallen und über hochgeistige Dinge sinnieren. Leider denke ich die ganze Zeit über: “Boah, ist das schwer! Mir tun die Arme schon weh. Menno, ist mir heiß! Was für ‘ne schrott Schlepperei!” Oben angekommen schütte ich den Kies aus, fühle mich gleich viel leichter, freue mich über das harte Trainingsprogramm, für das andere monatelang ins Fitnessstudio gehen müssen und das mir sicher eine wunderbar muskulöse Figur verleihen wird, und denke tapfer: “Na, einen Weg schaff ich noch.” Besser ist es natürlich, wenn hin und wieder die Familie mithilft und wir eine Viererkette bilden. Einer schippt die Eimer voll, die anderen drei haben immer nur ein Drittel des Weges bis sie die Eimer abgeben oder ausschütten können. Gemeinsam macht die Schlepperei sogar etwas Spaß. Leider finden die Kindern Computerspiele unterhaltsamer als Kies in Eimern zu tragen.

Zwischen den Kies-schlepp-Phasen (also immer wenn ich absolut keine Energie mehr hatte den Weg hochzulaufen) habe ich das Fundament für die überdachte Sitzgelegenheit gebaut. Ich bin sehr stolz auf mich, dass die Hohlbausteine, die ich zu einem großen Viereck in den schrägen Boden gesetzt habe, tatsächlich in der letzten Ecke genau aufeinander treffen.


Die ganze Zeit über befürchtete ich, dass sie am Ende 10 cm voneinander entfernt oder in unterschiedlichen Höhen auskommen würden und ich alles korrigieren müsste. Als ich den letzten Stein einsetzte und er passte, hüpfte ich jubelnd und “Yeah! Yeah! Yeah!!” rufend über die kahle Erde und freut mich einfach. Für Leute wie mich, mit “Einfach-mal-los-Mentalität”, ist es eben total klasse, wenn’s am Ende wirklich passt. Exakte Vor-Planer und Millimeter-Berechner können das nicht nachempfinden.


Das Fundament wird mit dem Kies-Sand-Gemisch angefüllt, und ich staune immer wieder, wenn ich am Hang dahinter sehe, dass ich in dieser Ecke inzwischen etwa einen Meter von der Erde weggebuddelt und nach vorne verschoben habe, um das Gelände zu begradigen. OK - so richtig gerade sieht es noch nicht aus, aber das wird schon. Wer es schafft, dass ein Viereck passt, der kriegt auch die Erde platt!

Wenn ich 20 Kiestransporte gemacht habe, habe ich eine Stunde lang richtig hart gearbeitet, etwa 500 Kilo auf den Hügel geschleppt, spüre Gelenke, die ich bis dahin gar nicht hatte und sehe etwas mitgenommen aus. Immerhin habe ich vor vier Wochen noch über jämmerliche Betonplatten gestöhnt, die ich inzwischen fast nebenbei nach oben tragen würde. Muskeln und Kondition haben sich auf jeden Fall schon stark verbessert. Aber um ehrlich zu sein: Ich hätte fast losgeheult, als mir mitten in einer Kiesschlepperei einfiel, dass ich ziemlich schnell noch ein paar Tonnen Split bestellen muss und demnächst eine Tonne Basaltsteine und eine Tonne Klinker kommen werden. Oh, nee!


Aber trotzdem macht es Spaß und ich sehe den fertigen Grillplatz in all dem Dreck und Staub schon vor mir. Manchmal stehe ich still da, grinse glücklich in die erdige Gegend und weiß genau, wie es dort im nächsten Jahr aussehen wird. Andere sehen nur eine verdreckte Baustelle, ich sehe schon die Weinrebe am Pfahl hochwachsen, den gepflasterten Basaltkreis vor mir im Boden liegen und höre den halbhohen Bambus leise im Wind rauschen. Vielleicht habe ich auch einfach nur von der Anstrengung Ohrensausen.



WOCHE 9
21. August 2005
Es geht rasant weiter, was aber auch daran liegt, dass ich momentan keine anderen dringenden Sachen habe und fast jeden Tag weiterbauen kann. Mit Thomas setze ich das Grundgerüst für die überdachte Sitzecke. Nachdem ich nun schon als Landschaftsumgräberin, Maurerin, Betonanrührerin und Kiesschlepperin tätig war, wechsel ich zum Holzhandwerk.



Das Arbeiten mit der Tischkreissäge sieht übrigens nur halb so gefährlich aus, wenn man - wie ich - während des Sägens die Augen fest zusammenkneift. Ich muss mich da einfach entscheiden, ob ich mir lieber einen Finger absägen oder mein Augenlicht durch die umherfliegenden Holzsplitter verlieren möchte. Klar, es gäbe die Möglichkeit einer Schutzbrille, aber ich vergesse immer wieder eine aus dem Baumarkt mitzubringen. Für alle Kinder darum der Warnhinweis: Nur mit Schutzbrille an die Kreissäge! Es gab sogar einen echt gefährlichen Moment in dieser Woche: Ich mußte ein schmales Brett längst sägen, hatte die Finger nah am Sägeblatt, die Säge kreischte laut, die Holzsplitter flogen um meine Ohren, ich konzentrierte mich voll auf die Arbeit, da stand ganz plötzlich eine Gestalt unmittelbar neben mir. Ich zuckte erschreckt zusammen und Bastian informierte mich entschuldigend: “Mama, Telefon...”



Dacharbeiten machen viel Arbeit. Besonders, wenn man die Leiter ständig verrücken muss, der Hammer runterfällt, wenn man gerade oben ist, die Nägel immer wieder am anderen Dachende liegen, wo man sie nur nach erneutem Verstellen der Leiter abholen kann und die Dachpappe sauschwer ist und immer in die andere Richtung rollen will. Trotzdem kriege ich alles gebändigt, klopfe nur vier Nägel krumm und mir nur dreimal mittelheftig auf den Daumen und habe nach 9 Stunden Arbeit am Abend ganz alleine das Dach drauf gesetzt. Der 30 Minuten später einsetzende Sturzregen zeigt, dass es dicht ist und das Wasser vorbildlich nach hinten ableitet. Wow! Allerdings wurde ich auf dem Rückweg zum Haus klatschnass, weil ich nicht warten wollte, bis der Regen aufhörte.


Ich gebe zu, dass die überdachte Sitzgelegenheit momentan noch etwas hoch und seltsam aussieht, aber das wird schon. Unten kommt ja noch ein Boden rein und zwei der Seitenwände werden mit Holz geschlossen. Und dann gibt es natürlich noch die Weinrebe, die im nächsten Jahr hochranken wird. Der Versuchung, sie sofort im Garten auszugraben und am Grillplatz einzusetzen, konnte ich mit Mühe widerstehen. Da sollte ich vernünftigerweise auf den Herbst warten. Außerdem habe ich noch keine Ahnung, wie hoch die Erde am Ende liegen wird und wo ich überall Pflastersteine hinsetze. So bleibt die Arbeit am Grillplatz auch für mich spannend und überraschend.




WOCHE 10
28. August 2005
Der Arbeitstitel des Projektes wird ab sofort geändert in:
Ich baue eine Bushaltestelle
Die überdachte Sitzgelegenheit sieht mit ihren beiden geschlossenen Seitenteilen einem Wartehäuschen verblüffend ähnlich. Jetzt noch einen Fahrplan reingeklebt, ein Haltestellenschild davor gesetzt und ich kann mit wartenden Passanten rechnen.

Nachdem die Wände der Bushaltestelle fertig sind, spritze ich mit einer Farbpistole weiße Farbe auf das Holz, um den rustikalen Charakter zu übermalen. Ich will ja später keinen dunkelbraunen Jägerunterstand haben, sondern eine frische, angenehme, an Meer und Skandinavien erinnernde Sitzecke benutzen. Weiß und Blau ist die Devise. Auch wenn eines meiner Kinder meint: “Blau ist doof” und das andere: “Ich finde ja holzfarben viel besser.” Naja. Wenn die Sonne im nächsten Sommer von vorne knallig scheint, werden wir vermutlich ohne dunkle Sonnenbrillen in der grellweißen Sitzecke alle schneeblind werden.

Nebenbei haben wir festgestellt, dass wir drei Stuhlreihen vor die Bushaltestelle setzen und sie dann als Bühne nutzen könnten. Wenn wir später mal keine Lust auf’s Grillen haben, kann dort der Faust gespielt oder sogar ein Konzert gegeben werden. Bei etwa 20 Besucherplätzen wären wir sicher oft ausverkauft. Was für schöne Aussichten! Intern nennen wir die Bushaltestelle übrigens auch ‘Haus’, weil sie inzwischen recht massiv wirkt. ‘Überdachte Sitzgelegenheit’ ist raus aus dem Sprachgebrauch, weil es so beamtig klingt.


Dass ich zwischendurch einen halben Liter weiße Farbe mit Schwung über meine Hose und von da auf den Betonboden in meinem Hof kippe, lasse ich mal lieber unerwähnt. War nicht so geplant und sieht weder auf der Hose, noch auf dem Boden wirklich gut aus. Geht jetzt aber auch nicht mehr einfach raus. Auch am Grillplatz sind alle Blätter an den Büschen durch den weißen Sprühnebel der Spritzpistole gekennzeichnet. Gut, dass bald Herbst ist und sie im Frühjar nochmal ganz von vorne und vor allem grün anfangen können.

Herzergreifend auch das blinde Vertrauen der Kinder in die Fähigkeiten ihrer Mutter. Als ich in einer Farbspritz-Pause den Zwischenstand des Hauses präsentieren will und rufe: “Bastian, willst du mal rauskommen und das Haus ansehen?” kommt er sofort aus seinem Zimmer und fragt interessiert: “Ist es umgefallen?”
 


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